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Löcher in der Mauer
Materialiensammlung
DDR 1989

Neue Chronik DDR
1. Folge 2. Auflage Verlag Tribüne Berlin GmbH 1990 ISBN 3730305822

2. Folge 1. Auflage Verlag Tribüne Berlin GmbH 1990 ISBN 3-7303-0594-8

16. November 1989

Die SED-Fraktion der Volkskammer stimmt dem Vorschlag von Generalsekretär Egon Krenz zu, daß folgende ehemalige Spitzenpolitiker aus Partei und Regierung ihre Abgeordnetenmandate niederlegen: Hans Albrecht, Hermann Axen, Hans-Joachim Böhme, Johannes Chemnitzer, Friedrich Dickel, Horst Dohlus, Kurt Hager, Joachim Herrmann, Erich Honecker, Margot Honecker, Günther Kleiber, Werner Krolikowski, Ingeburg Lange, Erich Mielke, Günter Mittag, Erich Mückenberger, Gerhard Müller, Alfred Neumann, Alfred Rohde, Horst Schumann, Horst Sindermann, Willi Stoph, Ernst Timm, Harry Tisch, Werner Walde, Herbert Ziegenhahn, Heinz Ziegner. An ihre Stelle sollen Nachfolgekandidaten aufrücken,

Zuzüglich zu den bestehenden 20 Grenzübergängen zur BRD und den 25 Grenzübergangsstellen zu Berlin (West) sind bis jetzt seit Inkrafttreten der neuen Reiseregelungen 13 zur BRD und zehn zu Berlin (West) geschaffen worden, Bis 24. November sollen 55 Grenzübergangsstellen zur BRD und 35 zu Berlin (West) benutzt werden können.

In einer der "Berliner Zeitung'' übermittelten Sprechererklärung stellt die Bürgerbewegung Demokratie jetzt mit Genugtuung fest, daß "mit der Öffnung der Mauer ein Zustand beendet worden ist, der das Leben der Deutschen jahrzehntelang traumatisch belastet hat". Das Recht zu reisen sei ein elementares Menschenrecht, das in der Verfassung der DDR verankert werden müsse. "Einschränkungen müßten gesetzlich fixiert und gerichtlich nachprüfbar sein. Reisepässe sollten nicht von der Deutschen Volkspolizei, sondern von zivilen Meldeämtern ausgestellt werden. Auch Wehrpflichtige sollen das Recht haben, vor, während und nach ihrem aktiven Wehrdienst ohne Einschränkungen zu reisen. Die Bürgerbewegung Demokratie jetzt fordert erneut, alle Einreisebeschränkungen für ehemalige DDR-Bürger unverzüglich aufzuheben. Bürgerinnen und Bürgern, denen die Staatsbürgerschaft der DDR unrechtmäßig entzogen worden ist, muß sie umgehend wieder zugesprochen werden." Es wird dringend empfohlen, "die Frage des Zwangsumtausches zu überprüfen" und auf Verhandlungen zwischen den Regierungen. beider deutscher Staaten zu den anstehenden Fragen des Reiserechts und der Reisefinanzierung zu drängen. An alle MitbürgerInnen appelliert Demokratie jetzt, "die Mark der DDR nicht zu unrealistischen Wechselkursen zu verschleudern und unsere Währung dadurch noch mehr zu schwachen".

Das Plenum der Akademie der Wissenschaften der DDR beschließt, die Streichung der Mitgliedschaft des Ordentlichen Akademiemitglieds Ernst Bloch und des Korrespondierenden Akademiemitglieds Robert Havemann aus der Mitgliederliste rückgängig zu machen.

In der Aussprache nach der Lesung aus ihrem Buch "Sommerstück" in der Veranstaltung der Stadtbibliothek "Berliner Schriftsteller stellen vor" antwortet Christa Wolf auf die Frage, ob sie wolle, daß die Erneuerung mit Sozialismus zu tun hat: Ja, ich will es natürlich. Ich möchte nicht, daß dieses Land Kolonie westlicher Konzerne wird, weil ich das westliche Ausland kenne. Wir haben Ansätze, die zu bewahren sind, weil sie ins europäische Gefüge etwas einbringen, was gut ist. So wird der Typ Mensch, wie er in der DDR ist, gebraucht. Ich möchte versuchen Züge und Verhaltensweisen, die ich sozialistisch nenne, zu bewahren." Auf die Frage, ob die offene Grenze dem wirtschaftlichen Weg der DDR Schaden bringe, antwortet sie: "Die Gefahren wirtschaftlicher Erpressung sind da. Aber wir erkennen, was nötig ist. Und ich habe in den letzten Wochen mehr Zutrauen zu uns gewonnen. Trotzdem bin ich mir im klaren, daß wir unseren Weg nur in beharrlicher täglicher Arbeit finden werden." (BZ, 17. 11. 1989)

Die langjährige Vorsitzende des DFD, SED-ZK-Mitglied Ilse Thiele, tritt von ihrer Funktion zurück. Ihre Nachfolgerin ist Eva Rohde, seit 1984 Vorsitzende der DFD-Volkskammerfraktion.

Zur materiellen Sportbasis in der DDR teilt Prof. Dr. Günter Erbach, Staatssekretär für Körperkultur und Sport, in einem Pressegespräch mit, gegenwärtig werden 303 Millionen Mark gebraucht (in Berlin allein 100 Millionen Mark), um die Schließung von dringend rekonstruktionsbedürftigen Sportstätten zu vermeiden. Besonders prekär sei die Lage bei den Freibädern, die 80 Prozent der zu schließenden Sportstätten ausmachen. Im Hinblick auf eventuelle Olympische Spiele in der DDR verweist Prof. Erbach darauf, daß gegenwärtig keine Stadt auch nur über eine dafür nutzbare Sportstätte verfüge.

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