Rainer Langhans
Selbstdarstellung der Kommune
Distanzierung durch die Redaktion erübrigt sich

aus: FU Spiegel 57 Mai 1967, nachgedruckt in: Kommune I, Quellen zu Kommuneforschung, hrg. v. Kommune I, Mai 1968 Westberlin

Wir sollen was für den FU-SPIEGEL schreiben - mal nicht was über uns, sondern von uns. Uns fällt dazu nicht viel ein - wie soll man schon über Artikel mit Jemand reden, so ist es schon schwer genug. Wir könnten natürlich sagen, daß wir vom SDS herkommen und die Gesellschaft grundlegend verändern wollen - Revolution - und daher unsere Methoden auf eben die Störung oder Zerstörung dieser Gesellschaft aus sind. Und daß wir gerade von links angegriffen werden, weil wir unpolitisch sind, schädlich für die gute radikaldemokratische Sache. Daß eben Pudding oder Schlagsahne dem widerlichen Humphrey ins Gesicht zu schmieren nicht ernsthaft politisch sei. Daß das Lächerliche daran uns nur schade und nicht H. H. H. So als ob die ernsthaften, traurigen und ohnmächtigen Schilderwälder politisch wären und nicht eigentlich der sogenannten guten Sache hinderlich werden.


Und nicht der Apparat gerade solche Demonstrationen gern benutzt, um seine Macht zu zeigen. Und deshalb hat er ja auch recht vor den Leuten. Als ob er nicht viel mehr Angst vor anderen Möglichkeiten der Zukurzgekommenen hätte. Oder Hochschulpolitik: Wo doch zunehmend die Konflikte sich nicht innerhalb des akademischen Rahmens, sondern über die Universitätsbürokratie mit der Regierung Berlins abspielen und Aktionen, die diese bedrohen, auch der Hochschulpolitik nützen. Wie käme sonst der Berliner Senat auf das Junktim zwischen Humphrey-Geschichte und Haushaltskürzung? Er hat doch Angst vor den Studenten und nicht vor der berühmten "verschwindenden Minderheit". Aber das sind doch alles nicht die Fragen: Warum sollen wir eigentlich Rede und Antwort stehen für die komischen Sachen, die uns einfallen? Demonstrationen mit Farbeiern oder Rauchbomben - oder Kommune? Ob das "politisch" sei oder "effektiv"?

Wie ist denn das mit euch? Wieso laßt ihr euch denn gefallen, daß ihr nicht richtig miteinander schlafen könnt, Wirtinnen, Zimmer und blödsinnige Erziehung vor allem. Daß ihr nicht miteinander reden könnt? Oder warum gehen ewig die Zweierverbindungen schief - gleich ob sie halten, was schlimmer ist, - oder nicht? Und die Kinder, die wenn man sie haben darf, "es nicht so schlecht haben sollen wie ihre Eltern"? Oder wie ist das eigentlich mit den "politischen Sachen" - welches Interesse habt ihr daran, wenn überhaupt? Das Studium, macht das eigentlich so ungeheuren Spaß - Assistentenkriecherei, Prüfungsangst und blödsinniger Lernstoff? Woher bekommt ihr euer Geld - von zu Hause: dankbar sein und öfter mal sich sehen lassen, ordentlichen Beruf ergreifen, Ehre machen, stolz auf dich - oder Stipendium: Leistungsnachweise, schnell studieren, Verschuldung - oder selbst verdienen ... ?

Sollten das alles dumme Zufälle sein, so wie in jeder guten Sache ein Wurm steckt, sind es die berühmten Ausnahmen für eine ganz andere Regel? Oder gehören sie zusammen? Freilich... l Ihr wißt das ja auch, aber warum fragt ihr uns dann so? Ihr müßtet doch fragen, was man dann tun soll? Etwa mit jemand Anderem schlafen, wenns langweilig oder unerträglich wird? Monologe zur Selbstbestätigung halten? Oder zu zweit: den Nächsten probieren und resignieren nach geraumer Zeit wie unsere Eltern - heiraten aus Angst vor Verlust der Bequemlichkeit? Und die Kinder müssen eben doch mit Verantwortung geführt werden, da sie nicht wissen was richtig ist, hier? Oder Trauermärsche und Zusammengeschlagen werden oder Kommissionenarbeit in der Uni? Ja, und Studieren: für später, wenn man's

geschafft hat - und nichts mehr kann? Oder wovon man lebt... ? Das kommt doch irgendwie nicht hin. Ja, sagen alle, das ist halt so, eigentlich natürlicherweise (von rechts: der Mensch ist es eben, der so ist - von links: ist es die Gesellschaft). Wart ihr schon mal auf Demonstrationen auf dem Kudamm oder beim sit-in- jetzt beim letzten am 19.4.? Und habt Ihr gesehen, wie das aussieht, wenn bekleckerte, bunte Polizeioffiziere rumkommandieren, oder wenn ein Polizist ohne Mütze kopflos ist? Oder wenn die Polizei aufgeben muß, 1000 Leute aus dem Henry-Ford-Bau rauszutragen, weil sie das nicht schaffen kann? Wenn der massive Arm des ganzen Misthaufens machtlos ist... Ist das unpolitisch - für jeden Einzelnen von uns, wenn man so das vorbildliche Berliner Modell oder die Meinungsfreiheit mal mitmacht?-Wohl kaum, weil's Spaß macht, wo man ihn schon aufgegeben hatte, weil einem nichts mehr einfiel mit Angst im Bauch oder wenn man nichts mehr damit zu tun haben will. Kurze Zeit erlebt man etwas, was eigentlich keinen Platz hat bei uns hier und auch beinahe wieder vergessen wird, weils so selten ist: Man fühlt sich zusammengehörig und kennt sich auf einmal, man vergißt seine Probleme, man kann miteinander reden - und kaum Anderen, die nicht dabei waren, beschreiben, was das eigentlich genau war - die Sprache hapert da schon. Am 3. Mai müßten wir deswegen auch wirklich die Beatband spielen lassen und die Kompanie 67, und die Wandzeitungen schreiben und diskutieren - nicht nur die Wenigen, die ums Mikrofon herumstehen. Und wir müssen dem Polizeipräsidenten zeigen, daß wir nicht nur passive Aktionsformen wie Raustragenlassen, sondern auch aktive haben - wir könnten sie da vorbereiten, auf dem sit-in.

Was da passiert auf solchen Demonstrationen ist nur kurz, die Probleme kommen wieder und die Fremdheit schon auf dem Heimweg. Man wird zwar empfindlicher für abstraktes Geschwätz über Demokratie und Gesellschaft und Universtät und bla, bla - aber nicht viel mehr. Uns ist da die Kommune eingefallen - ein Zusammenleben, wo die Probleme jedes Einzelnen die Aller werden und..., und..., und... hier wird schon alles schwierig, weils nichts Fertiges gibt und utopische Versprechungen nichts taugen. Natürlich, was kann man alles reden über Aufhebung der privaten sexuellen Besitzverhältnisse, - so etwas wie eine Zärtlichkeit, die nicht verdrängt -werden muß, - daß die Mädchen nicht gerade in dieser Situation des Zusammenlebens auf die wie auch immer subtile Arbeitsteilung der effektiven und sinnlichen Seite (Kinder, Küche, Sex) festgelegt werden, - die Jungen begreifen lernen, wie relativ diese Rationalität ist, wo es für alles einen angebbaren Grund gibt usw. usw. und man berauscht sich an Paradiesen, und man kann reden, lange reden. Aber was heißt das schon? Die Probleme und Erfahrungen, die wenigen, die wir bis jetzt gemacht haben, sind sehr persönlich - es gibt für sie keine Begriffe, die für alle von uns gelten, schon gar nicht für euch. Nur eine Art der Gemeinsamkeit, daß die Sache noch nicht fertig ist und man nichts anderes machen kann. Ihr müßt es machen und was rauskommt, darüber möchten wir mit euch reden und agieren, wir haben das nötig. Mehr soll das Geschreibe hier auch nicht heißen - macht was am 3. Mai und macht Kommune - wie, das müßt ihr rauskriegen, wir wissen das auch nicht so genau, daß ihr euch bei uns versichern könnt. Wir wohnen ab 1. Mai am Stuttgarter Platz.