Die Anfänge der "neuen Frauenbewegung"
ZUR FRAUENEMANZIPATION
FÜR EINE POLITISIERUNG DES AKTIONSRATES ZUR BEFREIUNG DER FRAU
Quelle: Rote Pressekorrespondenz Nr. 35 vom 17.10.1969
In der "Bekanntmachung des Aktionsrats zur Befreiung der Frauen", die von ein paar Genossinnen verfaßt und undiskutiert in der RPK Nr. 33 abgedruckt wurde, wird dem Aktionsrat eine Perspektive gegeben, die letztlich wieder auf eine Unterdrückung der Frauen mit anderen Mitteln hinausläuft. Definiert man den Hauptunterdrückungsmechanismus als die biologische Tatsache, daß Frauen die Kinder bekommen und daß sie darüber hinaus in dieser Gesllschaft auch für sie verantwortlich sind, so begibt man sich auf die den wirklichen Ausbeutungscharakter (weniger Profit bei möglicher Schwangerschaft seit Einführung des Mutterschutzes) verschleiernde Argumentationsebene des Klassenfeindes. Nicht, daß die Frauen Kinder bekommen können, bestimmt die Ungleichheit im Produktionsprozeß. Ihre größere Ausbeutung hat ihre Ursache in ihrem historisch späteren Eintritt in den kapitalistischen Verwertungsprozeß, in dem sie ebenso wie die Kinder - und heute die Gastarbeiter - die Rolle der Lohndrücker übernehmen mußten. Daß sie als Konkurrentinnen der Männer u·n den Arbeitsplatz sich mit geringerem Lohn zufriedengeben mußten, liegt weder an den Männern, die sie als Gleichberechtigte weder anerkannten noch unterstützten, noch an ihrem möglichen Muttersein, sondern einzig am Kapitalverhältnis.Die bürgerliche Reduktion des politischen Kampfes der linken Frauen auf den Sektor Kind und Familie kann eine Änderung allenfalls für wenige Individuen zur Folge haben. Selbstverständlich ist das Interesse dieser Genossinnen berechtigt, die Solidarisierung und Organisierung, z. B. in Wohngemeinschaften ist notwendig, Die ökonomische Sicherung wiederum ist ein ständig zunehmendes Problem aller Linken. - Bei der Misere der Genossinnen mit Kindern erschwert im allgemeinen eine abgebrochene Berufsausbildung zusätzlich die Möglichkeit, materiell unabhängig zu sein.
Bei der frauenfeindlichen Struktur der Hochschule und Industrie erschien die Flucht in die bürgerliche Familie zunächst erträglicher. Die Arbeitsteilung in der Familie, die die vollständige Isolierung von allen gesellschaftlichen Bezügen (politische und theoretische Arbeit) mit sich bringt, macht eine weitere Form der Unterdrückung bewußt. Wenn die daraus resultierende Unzufriedenheit zu politischem Kampf führen soll, müssen wir analysieren, was die wirkliche Ursache der Unterdrückung ist. Zum Beispiel wird eine Analyse der ökonomischen Benachteiligung, der geschlechtsspezifischen Rollenerwartung und der daraus resultierenden und sie perpetuierenden Arbeitsteilung notwendig.
Geht man wie in dem Paper auf die Entstehung der Familie und des Privateigentums zurück, so kann man nicht unmaterialistisch das Verhältnis von Basis und Überbau auf den Kopf stellen ("die Institution Familie...erste Grundlage der Kapitalbildung"), sondern muß die Entstehung von Privateigentum im Zusammenhang mit einer bestimmten Form der Arbeitsteilung als Grund für die Entstehung nicht von Familie schlechthin, sondern einer bestimmten Form von Familie, der patriarchalisch-monogamen Familie ansehen. Wenn wir annehmen, daß zwischen dieser vorgeschichtlichen Familie und der heutigen Kleinfamilie noch irgendeine Identität, nämlich die der relativ größeren Unterdrückung der Frau und der Kinder, verglichen mit dem Mann, besteht, dann können wir nicht die Aufhebung der Familie fordern, sondern müssen für die Aufhebung dessen kämpfen, was sich in der Phase des Kapitalismus aus Privateigentum und Arbeitsteilung entfaltet hat, nämlich des Grundwiderspruchs von Lohnarbeit und Kapital. Das heißt nicht, daß mit der Auihebung dieses Widerspruchs automatisch die Unterdrückung der Frau aufgehoben ist, sondern daß die Aufhebung dieses Grundwiderspruchs erst die Bedingung der Möglichkeit der Emanzipation des Menschen schafft.
Das kann nicht heißen, daß die Frauen abwarten sollen, bis die Männer die Revolution gemacht haben, noch daß wir unsere Probleme verdrängen können und so tun, als wäre unsere bisherige subalterne Tätigkeit ein emanzipatorischer Beitrag zum Klassenkampf. Da aber das Ziel der gemeinsame Klassenkampf ist, müssen wir die Bedingungen dafür schaffen. Zusätzlich zu der Funktion der Arbeitsentlastung durch Selbsthilfe (Kinderläden) und vor allem der bürgerlichen Emanzipation, d. h. der Möglichkeit zu diskutieren, Probleme zu artikulieren, Selbstbewußtsein und Solidarität herzustellen und uns zu theoretischer und praktischer Arbeit motivieren, müssen wir im Aktionsrat unser vages Bewußtsein von Unterdrückung in ein politisches Bewußtsein umwandeln, um politische Arbeit leisten zu können, müssen wir die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung innerhalb der Linken aufheben und dadurch unsere und der Männer Rollenerwartung abzubauen versuchen.
Unumgänglich für die Erarbeitung einer Perspektive zur Veränderung unserer politischen und privaten Praxis ist die Orientierung an den objektiven Notwendigkeiten, die sich aus den bestehenden Produktionsverhältnissen und unserem Kampf dagegen ergeben, Die Analyse schafft zudem erst die Bedingungen für die politische Aktion über den bisherigen Rahmen des Aktionsrates hinaus, z. B. Agitation und Organisation von Arbeiterinnen.
Um mit der Schulung anzufangen, beginnen wir noch in diesem Monat mit einem Arbeitskreis über das Kapital, zudem empfehlen wir, in unserem Seminar an der PH über geschlechtsspezifische Sozialisation mitzuarbeiten.
Genossinnen aus dem Aktionsrat