Bommi Baumann
Haschrebellen
Aus: Bommi, Baumann, Wie allles anfing, Ffm 1976, S50ff
In der gleichen Zeit war die Geschichte die, daß sich die Drogen irrsinnig ausgebreitet hatten, davor hatten ja nicht viel Leute Dope genommen in Berlin und 68 fing auch diese Sache an, weite Kreise zu ziehen.
Ich habe vorher schon mal einen Joint durchgezogen, aber es war eben echt wenig da, oder mal ein Trip genommen oder so - und denn in der Zeit wurde immer mehr Dope genommen. Da waren auch bei uns in der Wielandkommune Leute drin, die gesagt haben, nur noch Dope nehmen und dann kommunizieren lernen. Die haben denn im Kreis gesessen und zusammen geraucht und gesagt, wie toll wir sind. Wir haben gesagt, auch noch das Dope mit in die Praxis integrieren, keine separaten Geschichten mehr, sondern eine totale Zusammenfassung, also über diese Sache, daß der neue Mensch im Kampf entsteht. Daß es kein Spezialistentum mehr gibt, sondern die Arbeitsteilung in allen Teilen aufheben. Shit rauchen alleine bringts nicht.
Die Geschichte ist denn so, daß viele von meinen Kumpels, die ich so kannte über Ostern 68 zum Teil politisiert worden sind, gerade Leute von der Gedächtniskirche her, oder so Leute, die schon immer Dope genommen ha ben, Turner oder wie du die auch immer nennen willst, die denn och immer in die Wielandkommune gekommen sind.
Cover der "Haschrebellenzeitung"
Westberlin 1969
Spucki der "Haschrebellen"
- Flugi: Freiheit für Hannibal
- Flugi: Zum teach in am 29.11.69(Geduld 70 k groß)
Da hat sich dann ein neuer Kreis gebildet. Da entstanden die Haschrebellen draus. Wir haben denn gesagt, überhaupt keine privaten Wohnungen mehr. Den Abbau von Privatbesitz soweit vorantreiben, du hast nur noch die Sachen, die du anhast, und so zieht denn ein ganzer Trupp, durch die Stadt. Wohnungen gab es inzwischen genug. Da gehst du dann immer irgendwohin und gibst da Gastspiele. Du hast genug Möglichkeiten zu wohnen - einfach umherschweifende Rebellenhaufen.
Warja 'ne gute Zeit, der ganze Sommer 69 bis Anfang 70, fast ein Jahr sind wir denn durch Berlin gezogen. Du hattest denn nur noch ein Stück Shit in der Tasche, und einen Dietrich und ein bißchen Geld und hattest ein paar bunte Sachen an, und so ist immer ein Trupp von Leuten herumgezogen. Und trotzdem waren wir so organisiert, daß wir etwas unternehmen konnten.
Natürlich sind denn wieder Aktionen gelaufen, da hat sich dann die 883, diese Undergroundzeitung gebildet und wir sind denn sofort da mit eingestiegen und haben jede Woche mit Artikel drin veröffentlicht.
W'ir haben dann angefangen, diesem ganzen losen Haufen einen Namen zu geben. Das war der "Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen". Wir haben gesagt, wir nehmen Dope, das ist eine wichtige Sache. Und Rebellen, klar, waren wir eh, und Zentralrat war einfach eine Ironie auf die damaligen Politzirkel, weil sich alle Zentralrat nannten. Es gab also schon wieder mal 1000 Zentralräte, das war einfach schwer ironisch, die Bezeichnung.
Die theoretische Grundlage war Mao "Über die Mentalität umherschweifender Rebellenhaufen"; aus den sogenannten Räuberbanden hatte er zusammen mit Tschu-Te die ersten Kader der Roten Armee gebaut und wir haben die Tendenz davon aufgegriffen, indem wir unsere Agitation so ausgerichtet haben, daß bei den teilweise noch unpolitischen Turnern ein Bewußtwerden ihrer Lage entstand. Das war die Basisarbeit, die wir gemacht haben.
Für die Wielandkommune und die K I, wir haben immer zusammengearbeitet, lag da die politische Theorie drinnen, daß man über dieses sogenannte Lumpenproletariat die ersten Kader der Stadtguerilla bildet. Sich nicht in einer Gruppe in irgend'ne Wohnung zuriickzieht, sondern bewußt den Schritt nach außen macht, mit diesen ganzen Leuten lebt, die ewig kriminalisiert sind, die auch in der Protesthaltung waren, die das gleiche Bewußtsein haben, bloß von einer anderen Ebene her gewonnen. Da waren Leute bei, die hatten ihre Politerfahrungen genauso wie ich gewonnen. Da war nicht so ein Bruch zwischen Schichten und Klassen und dergleichen, das hat alles sehr gut zusammengepaßt.
Wir haben denn angefangen, daß wir nicht abstrakt gesagt haben, du mußt jetzt in der Stadtguerilla kämpfen, sondern wir müssen eine Analyse machen und die Probleme da aufgreifen und verschärfen, wo sie für die Leute konkret sind Tag für Tag, die tägliche Konfrontation mit der Polizei.
Bei der Studentenrevolte am Anfang lief ja die Geschichte über eine Imperialismus-Analyse, und hier haben wir es schon auf ganz konkrete Lebensverhältnisse von Leuten umgesetzt. Da war die Theorie, der Imperialismus muß auch gleichzeitig in den Metropolen mit bekämpft werden. Das war die ausschlaggebene Theorie, daß gekämpft wird oder überhaupt Guerilla gemacht wird, abgesehen von allen anderen Erfahrungen, die man gewonnen hat, und gleichzeitig mußt du den Kampf eben auch umsetzen auf die konkreten Verhältnisse. Man kämpft nicht, weil in Vietnam gekämpft wird, das kannst du von niemanden verlangen, ist reiner Blödsinn. Andere haben es versucht mit den Rockern und wir haben es auf die Art gemacht.
Ganz bestimmte Dealertypen haben wir nicht gerne gesehen, die einfach nur Kohle gemacht haben oder so. Aber wir haben auch selber gedealt, von il.gendetwas mußt du ja leben; wir haben zich Leute gekannt, an die wir Shit verkauft haben, das war ja das einzige, was wir überhaupt noch hatten. Du hast richtig mit und von der Droge gelebt.
Da gab es denn so Kneipen wie Zodiak oder Unergründliches Obdach für Reisende, in der Fasanenstraße, und da fing es dann an, daß wir es geschafft haben, es auf 'ne allgemeine militante Ebene zu heben. Wenn die Bullen kamen und wollten Razzia machen, haben wir draußen alle Leute zusammengezogen und haben das Pflaster aufgerissen. Das ging sehr praktisch mit den Dietrichen, die wir immer bei hatten, der Revolutionär braucht nicht 1 000 Werkzeuge, du mußt immer universeller werden in deinen Möglichkeiten. Da hast du die Steine rausgeholt und irgendwo hat ein Auto gestanden, das hat Polizeifunk gehört und denn sind wir auf die Funkwagen los und haben uns die immer vom Hals gehalten. Da wurde auch kaum einer verhaftet, und da wurde auch kein Shit mehr beschlagnahmt, das war ja gleichzeitig deine Existenzgrundlage, wenn du die immer an jeder Straßenecke wegschmeißen mußt, dann wirst du ja wahnsinnig.
Außerdem wurden Rechtsanwälte angespitzt, die bei den Prozessen für die Leute zuständig gewesen sind, die geholfen haben. Ärzte wurden aufgetrieben, die in Notfällen geholfen haben, wenn jemand mal 'ne Überdosis genommen hatte. Du konntest ja dann nicht immer ins öffentliche Krankenhaus rennen.
Auf der anderen Seite wurde versucht, so eine Art Releasearbeit zu machen, also Leute von der Fixe runterzuholen und zu entziehen.
Die Methoden, wie sie von den Black Panther in Harlem praktiziert werden, haben uns agitiert. Wir haben gesagt, der süchtige Fixer kann die Gun mit der Gun tauschen. Das war der politische Aspekt, daß wir gesagt haben, wenn du die Spritze weglegst, nimm dafür die Knarre in die Hand. Kaputt haben sie dich eh schon gemacht. Später hat denn das SPK in Heidelberg wieder das aufgegriffen. Dr. Huber, der so seine Patienten angeturnt hat.
Wir haben auch immer gesagt, freien Eintritt für diese ganzen Schuppen, wo wir immer hingegangen sind. Jede Arbeit wurde immer öffentlich ausgetragen und war meistens orientiert an dem Black Panther-Modell in Harlem oder Berkeley. Wir haben auch Broschüren rausgegeben oder sind zu Popfestivals gegangen und haben da Flugblätter verteilt, in denen wir unsere ganze Arbeit erklärt und unsere Sachen motiviert haben, die so gelaufen sind. In der 883 haben wir wöchentlich Artikel geschrieben und haben Meetings abgehalten, durch die wir den ganzen Dope-Markt kontrollieren wollten, damit da nicht eine Dealermaffia entsteht. Damals war der Markt noch in der Hand von so kleinen Dealern, die Großen hatten sich noch nicht durch gesetzt. Heute ist alles persische Maffia, die den ganzen Dopedeal in Deutschland macht, damals waren das noch so die Typen, langsam kamen denn die Perser auf, so Anfang 70 ging's denn los.
Im Zodiak war mal so 'ne Auseinandersetzung mit der ersten Dealermaffia. Da hat es immer so Leute gegeben, die haben gesagt: "Hier willst du ein Kilo kaufen" und haben einem einen Schlüssel von so einem Schließfach im Bahnhof Zoo in die Hand gedrückt, und wenn wir hingekommen sind, war immer total leer, war nicht ein Gramm drin, is klar. Da haben wir ihnen denn die Autos vor der Tür einfach umgekippt und angesteckt. Denn die haben sie sich ja über diese Linkereien gekauft.
Bei so einer Geschichte war ich zum Beispiel mal voll auf Meskalin und da sind die Leute reingekommen und haben gefragt: "Nun hör mal zu, wie stecken wir denn so ein Auto an? ", ich bin denn rausgegangen vor die Tür und habe gesagt, "du mußt jetzt einfach den Tankverschluß aufmachen von dem Auto, und denn kippst du das Auto um, und denn schmeißt du ein Streichholz rein in die Benzinlache". Das haben sie denn auch gemacht, hat wunderbar gebrannt. Alle sind weggerannt als Polizei kam, bloß ich konnte nicht mehr wegrennen. Die Flammen auf diesem Trip, also verstehst du, ich bin einfach stehengeblieben und habe mir das angesehen, aber ich habe mich ganz ruhig und sicher dabei gefühlt, keine Polizei, keine Feuerwehr, nicht mal als Zeugen haben sie mich vernommen, haben mich einfach ganz ruhig da stehen gelassen. Mir ist echt nichts passiert. Alle anderen sind weggerannt. So'ne Sachen haben sich abgespielt.
Wir haben denn auch Charming-Aktionen für die Bevölkerung gemacht, also sind rausgegangen und haben immer die Radarwagen umgekippt, die die Autos geblitzt haben, die zu schnell fahren. Da sind sie uns mit der Knarre hinterhergerannt, die Bullen. Auf dem Tempelhofer Ufer, da standen die doch immer.
Und dann diese Fallenstellerei! An Plätzen, wo die Bullen immer Razzien gemacht haben, da hat dann irgendein Mädchen von uns angerufen und hat gesagt: "Hören sie mal, hier ist gerade ein Apothekeneinbruch, schicken sie doch mal einen Funkwagen vorbei", dann sind so zwei Funkwagen gekommen und alle sind schon an den Ecken gestanden, mit Steinen und Mollies und denn peng! Im Polizeifunk hast du mitgehört: "Hier Berta X an Berta 3 ihr Wagen brennt". Da haben sie auch mal geschossen, am Mister Go ist so' Undergroundlokal gar mal einer angeschossen w,orden. Da haben sie mitten in die Menge ringehalten, war ihnen denn doch zuviel. Die Sachen sind auch nie in der Zeitung erschienen, daß sie da wirklich Schußwaffen eingesetzt haben. Das waren diese Straßenschlachten, die waren dann jedes Wochenende.
Wir haben natürlich als Taktik gehabt, daß Leute, die immer in einer militanten Situation leben, daß die Leute offen werden auch für die Nachtund Nebelaktionen, daß da die Verbindung hergestellt wird.
Wir veranstalteten die ersten Smoke-Ins im Tiergarten. Georg haute soviel Shitplätzchen rein, daß er im Gebüsch umfiel.
Genauso haben wir dann angefangen, immer Treffen zu organisieren von allen Leuten der Scene und sind denn als geschlossene Blocks auf Vietnam-Demonstrationen gegangen. Das ist genauso unsere Sache. Wir haben die Leute für die politischen Sachen aktiviert und auf die Straße gekriegt, wir sind manchmal mit drei-, vierhundert Leuten erschienen und haben an den ganzen Vietnam-Demos teilgenommen. Dazu kommt noch, daß unheimlich viel Leute, die damals schon mitgemacht haben in diesen Gammlerjahren, daß gerade die den Schritt weitergegangen sind und dann tatsächlich die ersten Kader für die Stadtguerilla gebildet haben, zum Beispiel Petra Schelm ist jemand davon, die schon am Anfang immer dabei war und dann später zur RAF (Rote Armee Fraktion) gegangen ist. Sie war auch die erste Tote. Das war dann wirklich die erste Welle, die da am konsequentesten durchgegangen ist. Da war eine Entwicklung drinnen: Diesen Prozeß haben wir da schon richtig abgescheckt. Wenn du auf der Höhe deiner Zeit bist, hast du .dann so einen Geschichtsüberblick, daß du so'ne Geschichten und solche Prozesse richtig analysieren und auch auslösen kannst. Nur darin besteht auch eine Chance für eine Revolution, daß du aus diesem Bewußtsein heraus etwas machen kannst. Genauso wie wir später diese Truppenparaden von dem Amis gestört haben, das ist ja auch eine Massenaktion geworden, die nur über die 883 inszeniert worden ist. Zum Schluß hatten wir die 883 fest in der Hand, wir hatten dann in der Woche 10 000 bis 12 000 Exemplare draußen, also die größte deutsche Underground-Zeitung, mit der höchsten Auflage wöchentlich.
Der Zentralrat, der natürlich defakto nicht existiert hat, das war einfach nur 'ne lose Gruppe von Leuten, also K I-Leute, ein paar Wielandleute und so Leute, die die ganze Zeit so ringsherum waren, die haben den festen Kern gebildet. Die haben auch immer die militanten Aktionen auf der Straße gemacht, und wer denn mitgemacht hat, klar, das war dann wieder die Propaganda der Tat.
Wir haben gesagt, ist besser wir bauen lieber gleich eine Barriere auf und schützen uns durch unsere eigene Militanz, besser als wenn wir jede Nacht da auf der Gothaer Straße sitzen und uns anöden lassen, da kriegst du ja doch jedesmal mit dem Gummiknüppel die Jacke vollgehauen. Das ist eigentlich die Haschrebellenzeit gewesen.
Für diese Kerntruppe ist denn auch der Name Blues entstanden, der dann später in Berlin im Unterground einen Namen hatte. Der Blues war eigentlich der Zentralrat, da gehörten alle bunten Typen zu, halb Subkultur halb Politunderground. Blues eben, weil wir über diese ganzen Geschichten ge kommen sind, über die kulturrevolutionäre Welle eben politisiert worden sind, nicht so sehr durch Politik, sondern mehr durch diese Kultursachen, die die ganzen Jahre gelaufen sind. Zum Beispiel haben wir in Amerika immer das Vorbild gehabt, MC 5, die Musikband, also White Panthers aus Detroit, die einzigen Weißen, die an den Ghettoaufständen teilgenommen haben und über ihre Musik die Sachen vorangetrieben haben, also dieser John Sinclair und so'ne Leute. Später hat ja auch die Westberliner Polizei eine Terrorgruppe MC 5 gesucht. Es gab überhaupt gute Sachen mit Namen, als sie Hunderte von Leuten und Gruppen und Sekten gesucht haben, dabei war es immer wieder derselbe Verein, der nachher schon jede Woche einen neuen Namen hatte.
In diesem Klima war aber die Tendenz, so zu bleiben und die Haschrebel lengeschichte weiter zu machen. Da war nicht die Tendenz von uns aus, wir machen jetzt hier richtig Stadtguerilla, wir bilden jetzt hier 'ne Grup pe; die hier sone Aktionen einleitet, sondern die Idee war eine Einheit von Zusammenleben und Taten, die sich dann daraus ergeben haben, und einen größeren Rahmen zu kriegen.
Da war klar zu sehen, daß diese Scene immer weiter anwächst und daß es sich auch trifft mit der laufenden Studentenbewegung. Über Vietnam-Demos und so war man schon zusammen. Da war klar ein immer größeres Zusammengehen, da hätte sich eine einheitliche Scene total entwickelt wie in Amerika, wo ja nicht diese totale Trennung zwischen Politscene und Subkultur die ganzen Jahre gemacht worden ist. Daß man diesen Prozeß jetzt auch noch in Europa schafft und gleichzeitig diese Spaltung aufhebt. Dazu kommt, daß sich genau in dieser Zeit unglücklicherweise diese ML-Vereine gründen, die klar Drogen und jedes ekstatische Moment abgelehnt haben Sie sind eigentlich in eine Nostalgie der 20er Jahre verfallen. So'ne Sachen wie KP unter Thälmann, eine Sache, die echt abgeschlossen ist, die sich damals schon als falsch herausgestellt hat, die echt nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist, wo nichts Lebendiges mehr drin ist, sondern wirklich nur noch nostalgischer Rausch der da abläuft. Andererseits ist das auch eine starke Rückkehr zu bürgerlichen Lebensformen.
Die haben auch immer gesagt, mit diesen Leuten wollen wir nichts zu tun haben. Wir waren gerade zu der Zeit die einzige Gruppe, die militant auf den Straßen war, die einzige Bewegungsform, die im Kommen war.
Dann ist ein Teil von uns nach London gegangen für ein paar Monate, den Sommer über. Da haben wir uns die ganze englische Scene angesehen, wie es da so läuft, auch die Release-Häuser.
Über diese Londoner Geschichte entsteht dann später Release Hamburg, die ja ein anderes Programm hatten wie wir, das aber auch irgendwo sehr gut ist. Sie haben Fabriken gemietet oder besetzt, wie in der Karolinenstraße und haben denn da drinnen quasi solche Manufakturbetriebe errichtet, wo die Fixer gleichzeitig einen sozialen Boden hatten, auf dem sie sich halten konnte, was wir nicht hatten. Die einen haben ein Makro-Restaurant aufgemacht, einige haben genäht, ein paar andere haben eine Filmgruppe gemacht und dergleichen, dariiber hatten die Leute denn eine richtige Beschäftigung und einen richtigen sozialen Background und konnten darüber besser entziehen. Bei uns war es so, sowie die Scene abgesackt ist, sind sehr viele Leute rückfällig geworden, wenn was in Bewegung war, dann haben sie entzogen und wenn es stagniert hat, sind sie sofort zur Fixe zuriickgekehrt. Was wir ihnen bieten konnten, war nur der Kampf, und der Kampf war unregelmäßig.
Release Hamburg hat da echt bessere Arbeit geleistet, die Leute von der Fixe runterzubringen und trotzdem nicht mehr ins Bürgerliche absinken zu lassen. Die haben später auch Bauernhöfe auf dem Land gehabt und haben da denn Feldarbeit gemacht, ist auch eine gute Sache gewesen. Für einen Typen, der so auf der Nadel ist, ist eigentlich jede Sache besser, als so'ne städtische Entziehungsmethoden, wo er denn nur mit Valium vollgeknallt wird und kommt denn wieder raus und ist sofort wieder auf der Straße und macht automatisch weiter, weil er ja die ganze Zeit auf den Schuß gewartet hat.
Weil wir über unsere Justizgeschichten noch in diese ganze Justizkampagne verwickelt waren, wurde dann die Ebracher Knastwoche inszeniert. Zu der Zeit war der einzige politische Häftling in Deutschland Rainhard Wetter. Der saß in Ebrach wegen irgendwelcher Demonstrationen früher in München. Da sind denn aus allen Teilen Deutschlands von allen möglichen Gruppen Leute hingefahren, und haben neben dem Knast eine Knastwoche gemacht, das heißt sie haben verlangt, daß der einzige politische Gefangene entlassen werden soll.
Nach dieser Knastwoche ist dann ein Teil unserer Gruppe weitergefahren zu Guerillas nach Jordanien, und sind da ausgebildet worden; Schießen und Bombenbauen, wie sie kämpften. Man sah die Bedingungen unter denen sie lebten und sie haben ihre Problematik erklärt.
Auf der anderen Seite haben sie nur gesagt, fahrt zurück nach Deutschland und erzählt von unseren Problemen, sie waren eigentlich nur scharf darauf, daß Propaganda gemacht wird, Waffen haben sie nicht gestellt.
Die Brüder aber haben nach ihrer Rückkehr gesagt, der neue Mensch, es ging ja dabei immer um die Veränderung des Menschen, entsteht im Kampf, mit der Waffe in der Hand. Das ist der Fanonsatz, "als sie ihre Menschlichkeit entdeckten, holten sie ihre Waffen hervor." Das wurde für sie völlig realistisch, und mit dieser Message und dem totalen Willen zu kämpfen sind die Leute dann aus Palästina zurückgekommen.
In der ganzen Zeit ist in Berlin die Haschrebellengeschichte weítergelaufen und die Arbeit hatte schon Erfolge gebracht. Es haben sich wöchentich immer alle Leute getroffen und haben alle Probleme besprochen, die Scene wurde eigentlich schon ziemlich kompakt, und war auch so sicher, daß keine Spitzel drin waren. Da haben wir schon sehr aufgepaßt, weil sich alle Leute kannten. Da war zum Beispiel nie Urbach bei, der zu der Zeit immer noch irgendwo herumgerannt ist, der denn schon angefangen hat, Shit zu verdealen und Morphinbase. Also hat der Verfassungsschutz wieder die Fixer beliefert, hat 'ne neue Strategie gehabt. Es ist bekannt, daß Urbach wirklich Morphinbase verdealt hat. Der Verfassungsschutz hat reichlich Fixer noch rnitrangezogen, dasselbe Problem wie in Harlem, da wird das Heroin auch vom CIA eingebracht, das ist eine alte Sache.
Zu Urbach haben wir auf alle Fälle keinen Kontakt mehr gehalten, haben uns da abgesetzt und haben die Leute auch gewarnt. Das war Intuition, daß wir einfach dem Typen nicht mahr getraut haben, weil er auch einen anderen Lebensstil hatte, da tauchte einfach eine Kette von Unklarheiten auf, und die konnten wir einfach nicht mehr hinnehmen.