Quelle:
James Forman, Stokely Carmichael, Daniel Guérin, H.Rap Brown
NOW Der schwarze Aufstand
Herausgegeben von V. H. Brandes und Joyce Burke München 1968
James Forman
1967 - Höhepunkt von Widerstand - Unterdrückung - Widerstand
1967 war das Jahr, in dem der Vorsitzende des SNCC, H. Rap Brown, die Gefühle der Massen zum Ausdruck brachte, als er sagte: "Wenn Amerika nicht zur Vernunft kommt, müssen wir es niederbrennen. Um zu überleben, holt euch. besser eure Gewehre!" Das war das Jahr, in dem die Schwarzen von Newark, Detroit und siebenundfünfzig anderen Städten die flammende, bewaffnete Rebellion, die 1965 von Watts ausgegangen war, auf eine neue Ebene hoben.
Es war auch das Jahr, in dem das Schema vom Widerstand, dem mit Gewalt begegnet wurde und neuen Widerstand auslöste, deutlicher als je zuvor wurde.
Der schwarze Widerstand erreichte einen neuen Höhepunkt nicht nur durch die Rebellionen in neunundfünfzig Städten, sondern auch durch die heftige Revolte schwarzer Studenten im Süden. Dieses Mal machten sie keine gewaltlosen Sitzstreiks mehr, sondern erwiderten Pistolenschüsse mit Pistolenschüssen und warfen Steine und Flaschen auf rassistische, weiße Gestapo-Polizisten. In der Texas Southern University wurde die Gruppe der Freunde SNCCs des Mordes an einem Polizisten beschuldigt, den man tot auf der Seite eines Gebäudes fand, an dem es keine Fenster gab - ein Polizist, der in Wirklichkeit von der abprallenden Kugel eines seiner Kollegen tödlich getroffen worden war.
Auch die schwarzen Studenten an vornehmlich weißen Colleges bereiteten 1967 den Widerstand vor. Sie organisierten sich überall im Land um zu überleben, hielten Konferenzen ab und gründeten afroamerikanische Studentenverbände oder Black Student Unions wie jene am San Francisco State College.
Schwarze Oberschüler veranstalteten ebenfalls Kongresse und gründeten Organisationen, um ihre Aufgaben in den Rebellionen zu diskutieren. Die Schulen in Þhiladelphia, New Haven, Trenton und Los Angeles waren nur einige von denen, wo eine Revolte gegen die Mißachtung der Geschichte der Schwarzen im Lehrplan ausbrach.
Die schwarzen Jugendlichen verstärkten 1967 ihr Studium der Revolution, und Guerillaführer wie Che Guevara wurden für sie wichtiger als je zuvor.
Der schwarze Widerstand vollzog sich 1967 in Form wachsender Selbstverteidigungsorganisationen wie der Black Panther Party for Self-Defense in Kalifornien. Die jungen Schwarzen griffen zu den Waffen und sagten: keine weitere Besetzung unserer Gemeinden durch fremde weiße Polizisten. Huey Newton, der Verantwortliche der Panther Gruppe für Selbstverteidigung, sitzt noch immer ïn einem Gefängnis unter der illegalen Anklage, einen Polizisten getötet und einen anderen verwundet zu haben. Aber der Wille zu überleben kann nicht eingesperrt werden und Selbstverteidigungs einheiten nehmen weiterhin an Größe zu.
1967 verkündete einer der ersten Schöpfer der Selbstverteidigungsstrategie, Robert F. Williams, er werde aus seinem Exil in Peking in die Vereinigten Staaten zurückkehren. In den USA sieht er einer Anklage wegen Kidnapping auf Grund einer falschen Anschuldigung entgegen, die auf das Jahr 1961 zurückgeht.
Der schwarze Widerstand nahm die Form eines sich ausbreitenden Widerstandes gegen die Einberufung zum Kriegsdienst an. Ron Lockman vom W. E. B. Du Bois Club, Eddi O'Quendo und Ernest Dudley waren unter jenen vielen Schwarzen, die "Nein" zum illegalen Krieg sagten. "Unser Kampf findet in den Gettos der Vereinigten Staaten statt."
Viele Kräfte des schwarzen Widerstandes kamen 1967 zum ersten Black Power Kongreß zusammen, der unmittelbar nach. der Rebellion in Newark stattfand und auf dem die Radikalen mit den Gemäßigten und die Schwarzen aus der Mittelklasse mit den armen Schwarzen zusammentrafen. Sie stimmten darin überein, daß die Vereinigten Staaten den Völkermord gegen Schwarze auf verschiedene Weise institutionalisieren - mit dem Krieg in Vietnam, der Sterilisierung schwarzer Mütter, die Fürsorgeunterstützung empfingen, der fehlenden Bereitschaft, arme Schwarze ausreichend zu ernähren, unterzubringen und gesundheitlich zu versorgen.
Schwarze Revolutionäre trafen auch mit aktiven Weißen während der National Conference on New Politics zusammen und stellten sie der Wirklichkeit revolutionärer Führung gegenüber, um so ein neues Bewußtsein für die Rolle zu formen, die Weiße in weißen Gemeinden spielen müssen, um Rassismus und Ausbeutung zu bekämpfen. Die von den schwarzen Revolutionären vertretene Position ließ auch die Bemühungen Robert F. Kennedys scheitern, die Konferenz in noch eine pro-Kennedy Front zu verwandeln. Unterdessen machten 1967 viele Aktivisten der amerikanischen Friedensbewegung, die vor allem aus Weißen bestand, den Schritt von der Position, "Der Krieg ist schlecht!" zur Position des "Hell, No, we won't go!", "Zur Hölle, Nein, wir gehen nicht!" Vom Protest zum Widerstand! Von der Position, "Rettet unsere Boys" zum Kampf gegen den Imperialismus. Ungefähr 300.000 Demonstranten marschierten zum Pentagon, und viele von ihnen wurden zusammengeschlagen; so begannen Weiße aus der Mittelklasse zu verstehen, was man seit Jahren mit den Schwarzen in den Gettos machte.
Aber wenn 1967 der schwarze (und weiße) Widerstand wuchsen, so auch die Kräfte der Unterdrückung. Es war allgemein das Jahr eines sich verstärkenden Konservativismus und Faschismus: Nach dem Rücktritt von Verteidigungsminister McNamara trat der militärisch-industrielle Bereich als höchste Macht in der Vietnampolitik hervor. Wie auch von einigen ehemaligen Generälen im Fernsehen bestätigt, ist ihr Endziel eindeutig, China aufzuhalten und wahrscheinlich anzugreifen.
Im Inneren wurde die Kontrolle des amerikanischen Kongresses durch die Rassisten 1967 mit dem Ausschluß Adam Clayton Powells, Vertreter Harlems und Befürworter von Black Power, erneut bestätigt. Das gleiche Repräsentantenhaus, das Powell seines Sitzes enthob, hatte zuvor die rassistischen Vertreter Mississippis trotz überwältigenden Beweismaterials für Wahldiskriminierung, das von der Mississippi Freedom Democratic Party zur Verfügung gestellt worden war, bestätigt. Das Repräsentantenhaus war nicht bereit, einigen "verrückten Niggern" aus Mississippi und vom SNCC zu erlauben, ihr Recht in Frage zu stellen, Rassisten einen Sitz unter Rassisten einzuräumen. Sie konnten jedoch Powell, einen Schwarzen aus New York, hinauswerfen und taten es auch. Und das gleiche Repräsentantenhaus machte sich auch daran, einen der weißen Rassisten aus Mississippi an die Spitze eines der wichtigsten Ausschüsse zu stellen und ersetzte Powell als Vorsitzenden des Erziehungs- und Arbeitsausschusses durch einen Mann aus Kentucky.
Was den Präsidenten betrifft, so wurde seine wahre Einstellung in verschiedenen Erklärungen deutlich. In einer Rede sagte er den Schwarzen, ihr Bevölkerungsanteil betrage nur 10% und die Weißen, die anderen neunzig Prozent, würden auch etwas über ihre Rechte zu sagen haben. (Er log, was unseren Anteil betrifft; niemand weiß genau, wie viele es von uns gibt, aber das Massachusetts Institute of Technology hat 30 Prozent geschätzt, d. h. 60 Millionen Schwarze!) Johnson sagte auch den örtlichen Polizeikräften überall im Land, daß es ihre Aufgabe sei, als erste und letzte Barriere gegen die Gesetzlosigkeit zu dienen. Mit Herannahen des Wahljahres 1968 konnte Johnson keine weiteren Rebellionen riskieren. Unterdessen bewarb sich George Wallace aus Alabama intensiv um die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten, indem er alle Kriegsdienstverweigerer scharf angriff und erklärte, er werde im Falle seiner Wahl alle "Aufrührer" in Gefängnisse werfen lassen - mit anderen Worten, in die Konzentrationslager(1).
Gegen diesen Hintergrund tobte die Unterdrückung. Wir haben an anderer Stelle über die Formen der Repression in den Vereinigten Staaten gesprochen.
Integration in den Hauptstrom des "American life" und westlicher Werte.
"Pazifizierung" und Eindämmung.
Bestrafung.
Zum Schweigen verurteilen.
Einsperren.
Ausrottung.
1967 wurde jede dieser Formen angewandt oder vorbereitet.
Die Ernennung von Thurgood Marshall im Jahre 1967 zum Obersten Bundesrichter war einer der ausgefeiltesten Versuche, die "Überseeafrikaner" in das amerikanische System einzugliedern. Seine Ernennung sollte junge Schwarze davon überzeugen, daß es wirklich eine Möglichkeit gibt, in den Vereinigten Staaten Erfolg zu haben: Man muß nur schwer arbeiten und die Gunst der Politiker und Geschäftsleute gewinnen, und dann wird man in dieser Gesellschaft bestimmt belohnt!
Die Wahl von Carl Stokes zum Bürgermeister von Cleveland, Ohio, ist ein anderes Beispiel protektionierter Eingliederung. Stokes war für die Johnson Regierung verläßlich genug, um als Bürgermeister von Cleveland Unterstützung zu finden. Er befürwortet die Vietnampolitik der Johnson Regierung. Er ist gegen eine zivile Untersuchungskommission, die Übergriffe der Polizei untersuchen soll. Er hat öffentlich Black Power Führer zurückgewiesen.
Die Wahl von Hatcher zum Bürgermeister von Gary, Indiana, enthält die Möglichkeit eines Rückschlags für die Regierung, falls Hatch,er in seiner Erbitterung über die Rassisten, die die Demokratischen Partei in Indiana beherrschen und seine Wahl nicht unterstützen, durchhalten sollte. Da ihm jedoch die Demokratische Partei auf nationaler Ebene zur Hilfe gekommen ist, wird er sich möglicherweise nicht gegen die Regierung Johnson stellen.
Die Pazifizierung war die in Washington, D. C., angewandte Methode, wo das Kolonialverhältnis zwischen schwarz und weiß deutlicher als irgendwo sonst im Land sichtbar wird. Die schwarze und weiße Bevölkerung der Hauptstadt hat keine Selbstverwaltung, und jeder, einschließlich Präsident Johnson, weiß, daß es nur deswegen so ist, weil die Schwarzen dort 60 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Während der letzten zwei Jahre haben Mitglieder von SNCC für völlige Selbstverwaltung im Distrikt von Columbia agitiert. In diesem Jahr hat der Präsident der Vereinigten Staaten nach dem Scheitern der Wahlgesetzvorlage im Kongreß den Ausweg gewählt, einen Negerbürgermeister in Washington zu ernennen. Der Präsident handelt wie alle Kolonialmächte, wenn die Eingeborenen unruhig werden. Er versucht uns, die ruhelosen, rebellierenden Schwarzen, zu "pazifizieren".
Eindämmung: 1967 war das Jahr, in dem der Einfluß des CIA auf die National Student Association, die Gewerkschaften und Stiftungen aufgedeckt wurde - aber die Menschen vergessen, daß es andere gut gepolsterte Stiftungen gibt; um das Geschäft des CIA fortzusetzen. Die mächtige Rockefeller Stiftung und die Ford Foundation sind zwei herausragende Beispiele. Nach der Wahl Stokely Carmichaels zum Vorsitzenden des SNCC berief der Berater des Präsidenten, McGeorge Bundy, eine Versammlung in der Ford Foundation ein. Die Diskussion bewegte sich um die Frage, wie man SNCC isolieren und zerstören könne. Unter den Anwesenden waren Vertreter gewisser Bürgerrechtsorganisationen wie der NAACP und der Urban League. Konservative schwarze Amerikaner mit bestimmten Interessen sind leider nur allzu bereit, den Eindämmungsprozeß zu unterstützen.
Bestrafung war die Methode, die gegen den Boxweltmeister im Schwergewicht, Muhammed Ali ("Cassius Clay"), angewandt wurde. Als Schwarzer und als Muslim erklärte er, daß sein Glaube ihm verbiete, in Vietnam zu kämpfen und er deshalb den Kriegsdienst verweigere. Daraufhin wurde ihm sein Weltmeistertitel aberkannt.
In New York entließ die Chase Manhattan Bank, der mächtige Planer finanzieller Ausbeutung in aller Welt, neun ihrer schwarzen Angestellten, als diese die Diskriminierung bei Beförderungen innerhalb der Bank angriffen. Den Angestellten gelang es, eine Verhandlung vor der New Yorker Menschenrechtskommission durchzusetzen. Die Bedeutung, die Chase diesem Fall beimaß, wird durch die Tatsache erhellt, daß sie sich den früheren Gouverneur von New York, Dewey, als Anwalt nahm. Neun Schwarze, die fast alle eine Familie zu ernähren haben, kämpfen gegen diese geballte Macht das Establishment ist darauf aus, "aufsässige Nigger" zu unterdrücken.
Zum Schweigen verurteilen: Der alte McCarthy Ausschuß wurde unter dem Namen des McClellan Ausschusses wieder ins Leben gerufen. Aber dieses Mal suchte der Ausschuß nicht nur nach sogenannten Kommunisten. Er war darauf aus, alle Black Power Vertreter mit der Anklage der Verschwörung in die Hände zu bekommen. In Kentucky konspirierten die lokalen Polizeibehörden mit dem McClellan Ausschuß und stahlen die Unterlagen des Southern Conference Education Fund, um einen Angriff auf SCEF, SNCC und die Mississippi Freedom Democratic Party zu starten. Unter Berufung auf ein Statut, das vor zehn Jahren für verfassungswidrig erklärt worden war, nahmen sie drei Lastwagen von Material an sich und verhafteten SCEF Mitarbeiter unter der Anschuldigung des Aufruhrs. Als SCEF Anwälte den Fall vor das Bundesgericht brachten, entschied das Gericht übereinstimmend, daß die Polizei illegal vorgegangen war. In der Zwischenzeit waren jedoch wichtige Informationen bereits kopiert worden.
1967 verabschiedete der Kongreß ebenfalls ein Gesetz, das dem McCarran Act zu neuem Leben verhalf. Nach diesem Gesetz erhält der Ausschuß zur Überwachung subversiver Tätigkeiten (SACB) - das Untersuchungsorgan des alten McCarran Act - das Recht, "subversive" Gruppen mit Zustimmung des Justizministeriums zu durchleuchten. Einige Teile des alten McCarran Act sind für verfassungswidrig erklärt worden, doch noch immer ist jener Teil in Kraft, der dem Präsidenten die Möglichkeit gibt, im Falle eines "allgemeinen Aufstandes" (wie die Sommerrebellionen) den "nationalen Notstand" auszurufen. Die "Internierungslager" (Konzentrationslager), die in allen Teilen der USA bestehen, können dann mit rebellierenden Schwarzen aufgefüllt werden, die dort "auf unbegrenzte Dauer" ohne eine Möglichkeit legalen Einspruchs festgehalten werden können.
Es gibt sechs weitere neue Bestimmungen in diesem Gesetz, die es für alle Aktiven außerordentlich gefährlich machen:
1. Der SACB muß in wenigstens einem neuen Fall ein Verfahren vor dem 31. Dezember 1968 einleiten und eine Verhandlung durchführen oder sich auflösen.
2. Das alte Kriterium für eine kommunistische Ersatzorganisation ist dahingehend abgeändert worden, daß der Generalstaatsanwalt jetzt jede Organisation so bezeichnen kann, um sie zu veranlassen sich registrieren zu lassen.
3. Für die Störung einer SACB Verhandlung ist eine Mindeststrafe von 500 Dollar und eine Höchststrafe von 5000 Dollar oder ein Jahr Gefängnis oder beides festgelegt worden.
4. Die Registrierung einer ·subversiven· Organisation wird vom Generalstaatsanwalt in Verbindung mit dem SACB durchgeführt.
5. Alle Rechte in Bezug aut den fünften Zusatz zur Verfassung sind widerrufen worden. Der SACB gewährt allen auftretenden Zeugen Immunität. Sie sind deshalb zur Aussage verpflichtet.
6. Der Rechtseinspruch ist ausgeschlossen, um die Tätigkeiten des Ausschusses einzuschränken oder zu beenden.
1967 setzte Senator Eastlands Senatsausschuß für innere Sicherheit seine illegalen Aktivitäten fort. Dieses Mal erklärte der Ausschuß, er verfüge über die Unterlagen der Mississippi Freedom Democratic Party - gestohlen während der National Conference on New Politics - und werde sie nicht wieder herausgeben. Überall in den USA ist es ein Verbrechen, gestohlene Sachen anzunehmen, aber dieser notorische Rassist und Plantagenbesitzer aus Mississippi kann Unterlagen ohne gerichtliche Verfolgung stehlen. Es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie er sie benutzen wird, um die schwarzen Kämpfer der Freedom Democratic Party und anderer Organisationen einzuschüchtern.
1967 zeigten sich die Massenmedien als Stützen des Establishment bereit, den schwarzen Widerstand durch die Technik des Verschweigens unterdrücken zu helfen. Die Presse entschied in diesem Jahr, keine sofortige Berich,terstattung mehr über die schwarzen Rebellionen zu geben. Sie behauptete, eine derartige Form der Berichterstattung werde nur die Flammen in den Gettos weiter anfachen. (Ihre Geste war jedoch offensichtlich zum Scheitern verurteilt; selbst Newsweek, das Nachrichtenmagazin des Establishments, veröffentlichte einen Sonderbericht, in dem es hieß, das Problem der Schwarzen könne vielleicht nicht unter dem gegenwärtigen Regierungssystem gelöst werden.)
Einsperren: die Zahl der verhafteten schwarzen Rebellen ist 1967 nicht gezählt worden, ging jedoch in die Tausende. Am 21. Juni 1967 glaubten die USA, daß sie die im Sommer ansteigende Zahl von Rebellen durch die unzulässige Verhaftung von siebzehn Afroamerikanern verhindern könnten, denen sie eine sogenannteVerschwörung zur Ermordung gemäßigter "Bürgerrechtsführer" vorwarfen. Sie versuchten, den Namen RAM (Revolutionary Action Movement) zu verwenden, um diese Gruppe zu verleumden. Die Wahrheit ist jedoch, daß einige Schwarze als Agenten der Regierung ein Netzwerk von Lügen erfunden hatten, um Max Stanford von RAM und andere schwarze Revolutionäre zum Schweigen zu bringen. Mit einer nicht aufbringbaren Kaution von 150000 Dollar belegt erwartet Stanford seinen Prozeß im korrupten amerikanischen Gerichtssystem.
In Atlanta, Georgia, protestierten neun Schwarze, vor allem SNCC Mitglieder an einem Einberufungsbüro gegen die Wehrpflicht; sie wurden der Zerstörung von Regierungseigentum angeklagt und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
Cleveland Sellers, der ehemalige "Programmdirektor" von SNCC sagte 1967 "Hell, No, I Won't go!" - "Zur Hölle, Nein. Ich gehe nicht (in die Armee)!" - und wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Viele andere Schwarze, die sich ebenfalls weigerten, eingezogen zu werden, erhielten Urteile zwischen zwei und fünf Jahren.
In Newark, New Jersey, wurde der Dichter LeRoi Jones zu Unrecht unter der Anschuldigung verhaftet, während der Rebellion in Newark Pistolen in seinem Auto transportiert zu haben. Jones sagte dem Rich,ter: "Sie haben kein Recht, über mich zu urteilen - Sie sind weiß und keiner von uns." Am 4. Januar 1968 wurde Jones zu zweieinhalb Jahren ohne Bewährung verurteilt. Nachdem der Richter ein Gedicht von LeRoi laut im Gerichtssaal verlesen hatte, erklärte er, dieses Gedicht sei ein eindeutiger Beweis für seine Absicht, Rebellionen in Newark anzuschüren. (Jones hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt.)
Ende 1967 wurden zu Weihnachten fünf Menschen in New Haven, Connecticut, unter der Anklage verhaftet, eine Verschwörung mit dem Ziel, öffentliche Gebäude zu sprengen, angezettelt zu haben.
Und am 31. Dezember 1967 war H. Rap Brown noch immer ein politischer Gefangener, auf dïe Insel von Manhattan und einige nördlich gelegene Counties verbannt - ohne die Möglichkeit, mehr als einige Meilen zu reisen. Seine Anhänger organisierten eine Kampagne, um ihn aus der "Vorbeugungshaft" zu befreien, da sie befürchteten, daß er für immer zum Schweigen gebracht würde. Vorbeugungshaft und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Militanten auf einen einzigen Ort werden vielleicht in Zukunft zu einer weitverbreiteten Technik der US Regierung werden. Eddi O'Quendo aus Brooklyn wird unter der gleichen Form von Hausarrest gehalten. Man kann sagen, daß die US Regierung einige Führer einkreisen, isolieren und ausschalten möchte, um so die schwarzen Massen unter Kontrolle zu halten.
Aber die US Regierung bereitete sich Ende 1967 darauf vor, noch viel weiter zu gehen als einige Führer einzusperren oder zu vernichten. Ihre neuen Pläne bedeuteten nichts anderes als Ausrottung.
Die Johnson Regierung hat in der Vergangenheit eine hochentwickelte und brutale Maschinerie entworfen, um bewaffnete Rebellionen einzudämmen und setzt ihr Vorgehen weiterhin fort. Dies schloß die Verteilung einer Chemikalie mit Namen MACE an die Polizeidienststellen ein -eines heftigen Tränengases, das den Behälter in flüssiger Form verläßt und sich erst bei Kontakt in Dampf auflöst. Die Opfer des Gases, die Schwarzen, finden sich plötzlich mit entzündeten Augen, vom Gas erblindet und mit stark verringerter Sauerstoffzufuhr wieder. Wir werden uns vor Schmerzen winden und betäubt niedersinken, wenn die US Truppen, die Nationalgarde und die örtlichen Polizeikräfte das chemische Präparat MACE gegen uns in den Gettos des Ungeheuers einsetzen.
Zusätzlich zu MACE stellt die Regierung Panzer zur Bekämpfung von Aufständen her, die halb Panzer und halb gepanzerte Mannschaftswagen sind, um in den Straßen von Detroit, Newark, Watts, Harlem, Chikago, Houston und allen anderen Städten mit einer großen schwarzen Bevölkerung eingesetzt zu werden. Dieses Fahrzeug kann bis zu fünfzehn Mann transportieren. Es verfügt über eine Belüftungsanlage und ist mit Tränengas, Feuerlöschgeräten, Gewehren, Lautsprechern, einem Scheinwerfersystem, einem Beobachtungsturm und sechs Rohren ausgerüstet.
Dieser Panzer hat auch einen "Curdler", eine Sirene, die einen so hohen schrillen Ton von sich gibt, daß ihn das menschliche Ohr nicht ertragen kann. Unsere Ausrottung mag in diesem Land verschiedene Formen annehmen; wenn man uns jedoch in einem rebellierenden Gebiet erwischt, so werden wir für immer taub sein.
Die US Regierung erforscht und produziert andere nicht-tödliche doch den Menschen lähmende Mittel, um mit den revolutionären, rebellierenden Schwarzen fertig zu werden:
1. Das Institut für Verteidigungsanalyse berichtet, daß der Polizeiknüppel noch immer die wichtigste WafEe ist.
2. Überstarke Wasserpistolen.
3. Juckpulver.
4. Klebriger Leim, um uns aneinanderzukleben.
5. Farbstoffe und Infrarot-Markierer, die über Schwarze gesprüht werden, um sie beim Eintreten in das Licht identifizieren zu können.
6. Ein großes Netz, das von einem Helikopter ausgeworfen werden kann.
7. Ein glitschiges Konfetti, das auf die Straße verteilt wird, das Gehen erschwert und das Entkommen vor den Kugeln eines rassistischen weißen Polizisten unmöglich macht.
8. Schaumerzeuger, die Straßen blockieren und über Menschenmengen gesprüht werden.
9. Einschläferungspfeile, wie sie im allgemeinen gegen wilde Tiere dienen, sollen gegen Schwarze verwandt werden - die manchem Cracker unter den Tieren zu stehen scheinen. Diese Pfeile sind oft tödlich.
Aber diese Waffen sind nur Spielzeug im Vergleich zur Stoner Gun, die so unmenschlich ist, daß sie nach vorliegenden Berichten von internationalen Kommissionen für ungesetzlich erklärt worden ist. Dieses Gewehr schießt eine Kugel ab, die durch zehn Fuß Stahl und noch zehn Menschen gehen kann. Sie hat einen Drall, der die Eingeweide zerreißen und sofort tödlich sein soll. Ein Fernsehbericht meldete, daß die Polizei in Detroit einhundert dieser Gewehre erworben hat, während Newark und Philadelphia gerade dabei sind, sie zu bestellen. Die US Regierung gibt in der Tat Millionen aus, um Waffen für den partiellen oder totalen Völkermord an den Schwarzen herzustellen.
Die Wahl ist eindeutig: Widerstand oder Anpassung, Kampf oder Sklaverei, Freiheit oder Tod: Die Unterdrückung des schwarzen Widerstandes durch die Weißen hat diesen Widerstand nicht zerstört, sondern ein neues Feuer des Widerstandes entfacht. Ende 1967 war die Entschlossenheit zum Widerstand noch ungebrochen.
Gleichzeitig hat der schwarze Widerstand eine neue Dimension gewonnen: man könnte 1967 das Jahr der Internationalisierung des Kampfes nennen.
Im Mai 1967 erklärte SNCC offiziell, nicht länger eine Bürgerrechtsorganisation sondern eine Menschenrechtsorganisation zu sein, deren Interesse nicht nur den Menschenrechten in den Vereinigten Staaten, sondern in der ganzen Welt galt. SNCC bot allen Befreiungsorganisationen, die den Kampf zur Befreiung der Menschen von Rassismus und Ausbeutung führten, Unterstützung an.
Es erweiterte darüberhinaus seine internationale Perspektive, indem es Cleveland Sellers nach Japan schickte, der dort auf einem Treffen der radikalen Friedensorganisation Gensuikyo die wachsende Flut des Widerstandes schwarzer Amerikaner gegen den Wehrdienst und den Krieg erläuterte. Wie wir bereits gesagt haben, sieht Sellers selbst einer fünfjährigen Gefängnisstrafe wegen Kriegsdienstverweigerung entgegen, wenn seine Berufung abgelehnt wird.
Im Spätsommer nahm SNCC eine eindeutige Haltung im Arabisch-Israelischen Konflikt ein. Wir sagten, daß das Grundproblem des Konflikts der vom amerikanischen Imperialismus gestützte aggressive, expansionistische Zionismus war. Obgleich SNCC dafür von früheren Anhängern bitter angegriffen wurde, weigerte es sich, in seiner ursprünglichen Einstellung nachzugeben.
Im Sommer reisten Julius Lester und Charlie Cobb von SNCC als Vertreter des Internationalen Kriegsverbrechertribunals nach Vietnam, um die brutalen Handlungen des amerikanischen Imperialismus gegen das vietnamesische Volk zu untersuchen und die Solidarität mit ihrem Kampf auszudrücken. Ebenso stand Courtland Cox dem Kriegsverbrechertribunal als SNCC Vertreter zur Verfügung.
Die Einstellung der Organtsiation zum Vietnamkrieg ist offiziell im Januar 1966 dargelegt worden; heute ist SNCC davon überzeugt, daß die Fortsetzung oder Ausweitung des Krieges eindeutig im festen Interesse des militärischen und industriellen Machtapparates liegt. SNCC erkennt auch an, daß der Krieg ein Experimentierfeld für neue Waffen ist, die gegen Aufständische in anderen Teilen Asiens, Lateinamerikas, Afrikas und in den Vereinigten Staaten selbst eingesetzt werden sollen.
Die Reisen Stokely Carmichaels spielten eine wichtige Rolle bei der Internationalisierung des sch,warzen Bewußtseins. Im Juli 1967 wurde Carmichael ein besonderer Delegiertenstatus während der OLAS (Organisation für lateinamerikanische Solidarität) Konferenz in Havanna gewährt. Dort legte er die revolutionären Aspekte des Black Power Konzepts dar und erläuterte Revolutionären aus allen Teilen der Welt den Kampf der Schwarzen in den Vereinigten Staaten. Zur gleichen Stunde starben viele unbesungene und unbekannte Helden in den Straßen Newarks und Detroits, während die US Regierung mühsam den Widerspruch zu erklären versuchte, daß die soeben vom Kampf für die "Freiheit" aus Vietnam heimgekehrte 101. Air Cavalry Division die Straßen Detroits besetzte.
Carmichael reiste von Kuba nach. Vietnam, Algerien, Syrien, Ägypten, Guinea, Tansania, Skandinavien und Frankreich. Er sprach mit Führern in all diesen Ländern einschließlich Ho Chi Minh, Sekou Touré, Kwame Nkrumah und Julius Nyerere. Der Eindruck, den diese Fahrt hinterließ und seine Botschaft über unsere Lage rief zahllose Antworten hervor. Ich bin aber sicher, daß die Worte Fidel Castros am Ende der OLAS Konferenz die Gefühle der Revolutionäre in der Welt gegenüber unserem Kampf in den Vereinigten Staaten ausdrücken:
"Es ist logisch, daß die Ausbeuter, die seit Jahrhunderten Rassis mus gegen die Negerbevölkerung praktiziert haben, heute jeden als Rassisten abstempeln, der gegen den Rassismus kämpft . . . Aber es wird nicht mehr lange dauern, bevor sie etwas entdecken, was nach dem Gesetz der Gesellschaft, dem Gesetz der Geschichte unvermeidbar ist. Ich meine die Tatsache, daß die revolutionäre Bewegung in den Vereinigten Staaten aus dem schwarzen Bevölkerungsteil heraus entstehen wird, weil er der am stärksten ausgebeutete und unterdrückte, der am brutalsten mißhandelte Sektor in den Vereinigten Staaten ist; die revolutionäre Avantgarde der USA wird aus den am schlechtesten Behandel ten, den am stärksten Ausgebeuteten und Unterdrückten der Negerbevölkerung entstehen . . . Die Annäherung der Revolutionäre der Vereinigten Staaten und Lateinamerikas ist die natürlichste und spontanste Sache in der Welt. Unser Volk ist in einer außerordentlichen Weise bereit gewesen, Stokely für die mutigen Bemerkungen zu bewundern, die er während der OLAS Konferenz gemacht hat, weil wir wissen, was es heißt, derartige Aussagen in einer Gesellschaft zu machen, die die brutalsten und grausamsten Unterdrückungsmethoden anwendet und ununterbrochen die schlimmsten Verbrechen gegen die schwarze Bevölkerung begeht; wir wissen, welchen Haß seine Bemerkungen unter den Unterdrückern her vorrufen werden."
So kam es, daß Julius Lester, George Ware und Stokely Carmichael, die SNCC Vertreter in Havanna, dazu beitrugen, das Black Power Konzept aus dem Inneren der Vereinigten Staaten vor das Weltforum der OLAS Konferenz zu bringen.
Im August veranstalteten die Vereinten Nationen eine Konferenz über Rassismus, Kolonialismus und Apartheid in Kitwe in Sambia. Howard Moore, Jr., der Vertreter des SNCC in Rechtsfragen, und ich selbst nahmen aktiv teil und versuchten, die Vertreter der Weltorganisation auf unsere eindeutige Haltung zur amerikanischen Afrikapolitik aufmerksam zu machen. Wir legten eine Grundsatzerklärung unserer Organisation vor: "Der unteilbare Charakter des Kampfes gegen Rassismus, Kolonialismus und Apartheid."
Im Anschluß an diese Konferenz rief Ende August der Vorsitzende H. Rap Brown die Schwarzen auf, sich physisch und psychologisch auf den Tag vorzubereiten, an dem wir vielleicht eine Schwarze Internationale gründen und nach Südafrika zurückkehren müssen, um die Befreiung unseres Mutterlandes zu unterstützen.
Am 17. November 1967 gab ich im Namen von SNCC vor dem vierten Ausschuß der Vereinten Nationen eine Darstellung der ausländischen Investitionen in Südafrika.
In dieser Darstellung griffen wir die Vereinigten Staaten an, Waffen von Südafrika zu kaufen und Südafrika einen Teil der früheren kubanischen Zuckerquote zu überlassen. Unsere Organisation glaubt nicht, daß die Vereinten Nationen die Probleme unterdrückter Völker irgendwo in der Welt einschließlich der Schwarzen in den Vereinigten Staaten lösen werden. Die Ergebnislosigkeit der UN Debatten über den Arabisch-Israelischen Krieg machte das noch deutlicher. Dennoch glauben wir, daß wir - wenn immer möglich - die Vereinten Nationen als Forum benutzen sollten, um unseren Standpunkt zu verbreiten.
In Los Angeles trafen sich vom 23. bis 25. November 800 schwarze Studenten aus elf Staaten des amerikanischen Westens zu einer schwarzen Jugendkonferenz. Auf dieser Konferenz beschlossen die schwarzen Sportler, die Olympischen Spiele 1968 zu boykottieren, um so zu beweisen, daß sie ein gründlich,es Verständnis für die internationalen Auswirkungen unseres Kampfes hatten. Die Konferenz verabschiedete auch eine Resolution, die andere Studentengruppen aufforderte, SNCC als ihre internationale Vertretung zu betrachten, um so die Bemühungen von SNCC anzuerkennen, den Kampf der Schwarzen zu internationalisieren.
Während der schwarze Befreiungskampf in seiner Perspektive international wird, wächst der sch.warze Widerstand gegen den Krieg in Vietnam. Unser Kampf geht eindeutig gegen Rassismus, Kapitalismus und amerikanischen Imperialismus, ob er gegen die Schwarzen im Ausland oder hier bei uns gerichtet ist. Wachsender Widerstand ruft Unterdrückung hervor, aber diese Unterdrückung wird nur den Widerstand stärken. Die Zerschlagung einer
Organisation wie SNCC wäre ein unglückliches Ereignis, aber es könnte die schwarze Befreiungsbewegung nicht mehr aufhalten als der Tod Che Guevaras die Flut der Befreiungskämpfe in Lateinamerika. Wir zweifeln nicht und fürchten auch, nicht die Zukunft. Zu viele Brüder haben bereits den Ruf aufgenommen: Freiheit oder Todl Das Jahr 1968 wird mit Sicherheit die größte Unterdrückung bringen, die wir bis jetzt erlebt haben. Wir müssen uns zusammenschließen, um den neuen Techniken und Waffen des Feindes mit neuen eigenen Strategien zu begegnen. Es wird ein entscheidendes Jahr werden, ein Jahr, in dem die Solidarität der Befreiungskräfte überall in der Welt von absolut lebenswichtiger Bedeutung sein wird.
Fußnoten
1) Über die in den USA bestehenden Gefangenenlager ("detention camps"), oft als Konzentrationslager bezeichnet, Informiert Charles Allen, Concentration Camps, USA (New York 1966).