US-amerikanische Protestsongs

Alternative
ZEITSCHRIFT FÜR LITERATUR UND DISKUSSION
FEBRUAR 1966
Heft 46

Westberlin. Hrg. von Hildegard Brenner, Redaktion: Hildegard Brenner, Georg Fülberth, Helga Gallas, Klaus Laermann, Helmuth Lethen, Hartmut Rosshof, Peter B. Schumann, Jügren Strutz, Katrin Vier

I MIND MY OWN BUSINESS
by Peter Seeger
JENSEITS VON VIETNAM
von Horst Tomayer

Aus dem Vorwort

"Zu welch grotesken Entstellungen der kulturindustrielle Integrationsmechanismus fähig ist, zeigt die Tatsadie, daß die deutsche Version von <Ballad of the Green Berets> unter der Markenbezeichnung protest song angeboten wird. Das signalisiert eine Gefahr, der schon die amerikanischen Protestlieder sich nicht zu entziehen vermochten. Sobald die Kulturindustrie sich des Aufbegehrens der Protestierenden bemächtigte, drohte dieses selbst - nicht nur in Newport - zum festlich illuminierten Protest zu verkommen. Die anti-establishment-activists wurden zu Routiniers des Protestes. Die Arrangements der Disk-Jockeys lösten die Lieder aus ihrer ursprünglichen Funktion in der Bürgerrechtsbewegung und der Kampagne gegen den Vietnam-Krieg und neutralisierten sie. Der Protest geriet zum formalen Appell, der Veränderung fordert, aber nicht mehr weiß, was geändert werden soll.

Der Import der Protest-Song-Bewegung aus den USA nach Westdeutschland zeigte schon bald ähnliche, wenn auch nicht dieselben Symptome: Als Joan Baez, Spitzenstar der Protestsongs, bei Ostermarschveranstaltungen in Essen und Frankfurt a. M. auftrat, wurde ihre Anwesenheit von Blättern wie <Bravo>, die Westdeutschlands Schlagergeschäft publizistisch verwalten, totgeschwiegen. Gezielter Protest gegen Vietnam-Krieg und Notstandsgesetze, der an die kritische Funktion der Lieder erinnert, rechnet für das kulturindustrielle Meinungskartell offensichtlich zu den "nicht veröffentlichungswürdigen Informationen". Die Funktionäre der Rundfunkanstalten, Anstalten öffentlichen Rechts, entschärften den Protest durch Kommentare bzw. Übersetzungen, die das Unrecht generalisieren und die Befehlszentralen ins Nichtgreifbare entrücken.

Dieses Heft will mit seinen Vorschlägen zur übersetzung der amerikanischen Originale auf die Konkretheit der Protestsongs hinweisen. Protestlieder vermögen den Raum einer Öffentlichkeit zu schaffen, in dem, frei von Angst, die Solidarisierten das vernünftige Argument mit dem Mut zur Aktion vortragen. Mit Liedern, die den Skandal beim Namen nennen, kann das Konzert zum politischen Meeting werden."






















I MIND MY OWN BUSINESS
by Peter Seeger

King Henry marched forth, a sword in his hand
Two thousand horsemen all at his command
In a fortnight,the rivers ran red through the land
The year, fifteen-hundred-and-twenty.

The year is now nineteen-sixty-five
It´s easier far to stay alive
Just keep your mouth shut while the planes zoom and dive
Ten thousand miles over the ocean.

Simon was drafted in sixty-three
In sixty-four, sent over the sea
Last month this letter he sent to me
He said, you won't like what I'm saying.

He said, we've no friends here, no, hardly a one
We've got a few generals who just want our guns
But it'll take more than them if we're ever to win
Why, we'll have to flatten the country.

It's my own troops I have to watch out for, he said
I sleep with a pistol right under my head
He wrote this last month, last week he was dead
And Simon came home in a casket.

I mind my own business, I watch my TV
Complain about taxes, but pay anyway
In a civilized manner, my forefathers betray
Who long ago struggled for freedom.

But each day a new headline screams at my bluff
On TV some general says, <<We must be tough>>
In my dreams, I stare at this family I love
All gutted and spattered with napalm.






















JENSEITS VON VIETNAM
von Horst Tomayer

Heinrich der Achte fing zweitausend Mann
Und hob ein militärisches Schlachten an
Die zweitausend waren ausgesuchte Töter
Und färbten die Erde einen Strirh röter
Im Jahr fünfzehnhundertundzwanzig.

So hat der achte Heinrich die Leut gehetzt
Aber neunzehnfünfundsechzig schreiben wir jetzt
Da wird keiner mehr leicht auf den Tod verletzt
Er muß nur das Maul und die Ohren schließen
Wenn GI's auf hungernde Reisbauern schießen.

Vor zwei Jahren trieben sie Simon ins Netz
(ein Netz aus Papier: das Wehrpflichtgesetz)
Er schrieb mir einen Brief vor dreißig Tagen:
"Was ich hier schreib, schlägt Dir auf den Magen"

Wir haben hier Freunde, wie der Sommer hat Schnee
Die Generale lehrn uns das Mord-Abc
Wie's gemacht wird, die Äste zu entblättern
(und müßten die Wurzeln des Stamms doch fleddern!) 

Schutz vor unsern Verbündeten such ich
Nachts auf entsichertem Colt schlafend fluch ich.
Schrieb's auf vor dreißig Tagen. Kehrte heim vor acht
Als kalte Asch in kaltem Zinkgemach.

So ist's. Ich hab' zu tun. Schau in die Röhre
Zahl stöhnend hohe, Steuern, bürgerliche Ehre!
Bestreit, daß meine Vorfahren ich verriet
Als ich den ersten Tag des Terrors und des Krieges litt.

Tagtäglich bringt eine Schlagzeil mich zu Fall
Gelobt sei was uns hart macht, spricht der Herr General
Nur nachts im Traum starr ich auf Frau und Kind
Wie sie von Napalm rasch zu Asch verfeuert sind.