Der Club der Linken
Frei von Vereinsmeierei -
Wo man erfährt, was nicht in der Zeitung steht


Der Blickpunkt berichtet über den RC Westberlin
Nr. 165, 12/1967, S. 20ff


Republikanischer Club 1967

„Dann treffen wir uns heute abend im Club" — „Kommst Du mit in den Club?" oder „den habe ich letztens noch im Club getroffen", das sind Fragen und Antworten, die man häufig in dieser oder ähnlicher Form hören kann im Gespräch zwischen jüngeren Leuten, denen, begegnete er ihnen in der U-Bahn, selbst der auf Ruhe und Ordnung bedachte Bürger kaum „Geht doch lieber arbeiten!" nachrufen würde. Und trotzdem: Unser Bürger würde sie allesamt dem Ulbricht an den Spitzbart wünschen, wenn er wüßte, für wie viele subversive und staatszersetzende Aktionen und Gedanken eben dieser Club Podium und Nährboden ist. In seinen Räumen werden „Enteignet-Springer-Plaketten" verkauft, Zeitungen wie „Iswestia", „Peking-Rundschau" und „Neues Deutschland" zur Lektüre ausgelegt und Diskussionen über Themen wie „Aufgaben und Methoden der sozialistischen Opposition innerhalb der außerparlamentarischen Opposition" — „Opposition in der parlamentarischen Demokratie" und „Widersprüche und Tendenzen des modernen Kapitalismus" durchgeführt. Marx- und Mao-Werke im Lesesaal des Clubs, blutrote Mitgliedsausweise und ein hoher Prozentsatz bärtiger Besucher — wem gäbe das nicht zu denken? Die Vermutung liegt nahe, daß es zurmindestens kein volkstanzendes Wandervogelfähnlein ist, was sich da allabendlich im 2. Stock des Hauses Wielandstr. 27 trifft.

Als die Große Koalition von Bonn her ihre volksbeglückenden Schatten übers bundesdeutsche Land fallen ließ und sich eine urige Einigkeit breitmachte, als der Begriff „links" aus der Agende politischer Topografie gestrichen wurde und der Zweck jedem jede Mittel heiligt, als der Springer-Konzern sich anschickte, auch die Bastionen der letzten fehlenden Prozentchen zu erobern — da wurde am 30. April 1967 in Berlin der Republikanische Club als eingetragener Verein gegründet.

Seit dem 20. Mai sind seine Räume in der Wielandstraße direkt am Kurfürstendamm, täglich außer dienstags ab 17 Uhr geöffnet: Die bis dahin heimatlose Linke hatte geankert. Vorangegangen war eine Briefaktion; 600 Leute, von denen man annahm, daß sie einem solchen Projekt gegenüber aufgeschlossen sein würden, wurden angeschrieben — 250 überwiegend positive Antworten gingen ein. Zu den Initiatoren dieses Appells gehörten u.a. William Borm, Vorsitzender der Berliner FDP, Prof. Ossip K. Flechtheim, Dozent für Politische Wissenschaften an der FU, der Kabarettist Wolfgang Neuß, der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger und der Universitätsassistent Dr. Klaus Meschkat. Die ersten grundsätzlichen Besprechungen wurden beherrscht von der Frage nach der zu wählenden Organisationsform. Man entschied sich für den lockeren Zusammenschluß, für den Club, denn an die Gründung einer neuen oppositionellen Partei war und ist aus den verschiedensten Gründen nicht zu denken. Zunächst sollte für die vielen Gruppen und Einzelgänger, die bis dahin hoffnungslos isoliert waren, die Basis für eine Kommunikation und gezielte gemeinsame Aktionen geschaffen werden. In diesem Sinne sind auch die folgenden Sätze einer Selbstcharakteristik zu verstehen. „Wohin geht man in West-Berlin, wenn es wieder einmal so weit ist? Wenn eine Große Koalition ins Haus steht, wenn die Politische Polizei Büros durchsucht, wenn einem mißliebigen ausländischen Schriftsteller die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert wird, wenn die Polizei mit dem Knüppel und bewaffnet gegen Demonstranten vorgeht, wenn ein Student offensichtlich zu Unrecht monatelang in Untersuchungshaft behalten wird? Wohin geht man, wenn es darauf ankommt, rasch zu handeln, wo erfährt man, was nicht in der Zeitung steht? Oder wo trifft man sich an scheinbar ruhigen Tagen ohne besonderen Anlaß? Gibt es einen Ort, an dem man sich, frei von Vereinsmeierei und institutioneller Betriebsamkeit, bei Kaffee, Obstschnaps oder Bier mit Leuten treffen kann, deren Horizont nicht auf den der Springer-Presse geschrumpft ist? — Seit Mai 1967 gibt es den Republikanischen Club."

Zunächst jedoch wurde der RC, wie ihn seine Mitglieder nennen, vom 2. Juni und den daraus resultierenden Ereignissen auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Durch jenen Tag, der Ehrung, Bankett und Galaoper für einen persischen Despoten und den Tod für einen Berliner Studenten brachte, erhielt der Club eine Funktion: Er wurde zum Informations- und Aktionszentrum. Widerlegung falscher offizieller Darstellungen, Unterrichtung der Öffentlichkeit durch Pressekonferenzen, Auswertung erster Zeugenaussagen — diese Aufgabenbereiche mögen für viele andere stehen, die sich für den Republikanischen Club aus dem unmittelbaren Geschehen ergaben.

Wenngleich die sich überstürzenden Ereignisse jener Tage auch den Nebeneffekt rasch ansteigender Mitgliederzahlen hatten — heute sind es etwa 700 bei einem Mindestbeitrag von 10 DM monatlich —, so entstanden durch die plötzliche konkret-politische Aktivität doch auch finanzielle Probleme. Immerhin kostet allein die Zwölfzimmerwohnung 1600 DM Miete im Monat, rund 80 000 DM wurden für die Renovierung investiert, der Restaurationsbetrieb kostet ebenso Geld wie die Abonnements zahlreicher in- und ausländischer Zeitungen. Dazu kommen periodische Rundschreiben an die Mitglieder und die Ausgaben für das Sekretariat, Licht und Telefon. Wirtschaftlicher Träger des Clubs ist die „Republikanische Clubgesellschaft mbH. und Co. KG.", die von der persönlich haftenden Gesellschafterin, der „Republikanischen Clubgesellschaft mit beschränkter Haftung" vertreten wird. Treuhänder und Geschäftsführer dieser GmbH, ist der Rechtsanwalt und Teufel-Verteidiger Horst Mahler.

Laut Satzung versteht sich der Club als Teil der politischen Linken. Er soll jedoch nach der ursprünglichen Konzeption nicht so sehr ein Podium für studentische Argumente als vielmehr ein Treffpunkt für Gewerkschafter, Leute vom linken Flügel der SPD, FDP-Mitglieder, kurz, für Angehörige der verschiedensten Berufe sein. Jedes Mitglied benötigt für seine Aufnahme drei Bürgen; wer sich zunächst unverbindlich informieren will, kann das mit einer Gastkarte tun, die einen Monat gültig ist. Nun wäre diese knappe Skizze vom Republikanischen Club unvollständig, würde sie nicht auch einige Angaben über Entschließungen und Aktionen während der vergangenen Monate enthalten. Als am 19. August bei einer US-Parade im Bezirk Neukölln mehrere Demonstranten gegen den Krieg in Vietnam von Zuschauern beschimpft, getreten und zusammengeschlagen worden waren, ohne daß die Polizei Anstalten gemacht hätte, die Namen der Schläger festzustellen, kündigte der Republikanische Club in einer Presseerklärung folgende Maßnahmen an: Ermittlung der auffallendsten Polizeischläger, Einrichtung einer „Schlägerkartei", Demonstrationen gegen individuelle Verantwortliche von politischen Übergriffen und eine Dokumentation von Verfassungsbrüchen für einen eventuellen Appell an die alliierten Schutzmächte und die Europäische Kommission zum Schütze der Menschenrechte beim Europarat (21. August 1967). Im Zusammenhang mit diesen Vorfällen gab der CDU-Abgeordnete Karl Heinz Schmitz in einem Brief an den Neuköllner Bezirksbürgermeister seiner „Bewunderung für die spontane Reaktion Neuköllner Bürger" Ausdruck. Damit — so Schmitz — hätten Einwohner dieser Stadt zum erstenmal bewiesen, daß sie nicht mehr gewillt seien, dem „Treiben anarchistischer und terroristischer Minderheiten" tatenlos zuzusehen. Im Auftrag des Clubs und der betroffenen Demonstranten erstattete Rechtsanwalt Mahler daraufhin gegen Schmilz Anzeige wegen Aufforderung zum Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung (24. August 1967).
Ebenfalls am 24. August veranstalteten zahlreiche Mitglieder des Clubs ein go-in: Sie versammelten sich in der Schöneberger Gaststätte Feurig-Eck in der Prinz-Georg-Str. 10, deren Wirt die etwas traurige Berühmtheit erlangt hatte, keine Farbigen zu bedienen und sie des Lokals zu verweisen. Zwar ließ der Lokalinhaber seine Gäste von der Polizei hinauswerfen, zuvor jedoch hatte er einen der farbigen „Republikaner" bedient.

Am 26. August 1967 unterstützte der Republikanische Club gemeinsam mit den Falken und dem SDS eine Protestaktion gegen den „überlangen Sonnabend", und zwar in der speziellen Form der Mehrbelastung der Angestellten. Gleichzeitig hatte sich ein Gewerkschaftlicher Arbeitskreis konstituiert. Eine der letzten Aktionen des Republikanischen Clubs war die Vorlage eines Initiativ-Bundesgesetzentwurfes zur Wahrung der Pressefreiheit, der zusammen mit einer Materialsammlung über den Springer-Konzern herausgegeben wurde. Dieser Entwurf sieht vor, daß ein Presseunternehmen Tagesund Wochenzeitungen nur bis zu einer Auflage von jeweils einer Million verkaufter Exemplare pro Erscheinungsdatum herausgibt. Jedes Unternehmen darf Publikumszeitschriften (außer Fach- und Kundenzeitschriften) höchstens in einem Umfang vertreiben, daß sein an der Stückzahl aller in der Bundesrepublik vertriebenen Publikumszeitschriften gemessener Marktanteil 20 Prozent nicht überschreitet. Die Auflage eines Presseunternehmens, das von einem anderen in personeller oder publizistischer Hinsicht abhängig ist, wird dabei dem herrschenden Unternehmen zugerechnet.

Weiterhin soll eine Entflechtung erfolgen, wenn ein Verlag ein 3ahr nach Inkrafttreten des Gesetzes diese Voraussetzungen nicht erfüllt. — Die Dokumentation der ökonomischen Macht des Springer-Konzerns enthält auch einen Abschnitt über die Art der Berichterstattung, unterteilt in folgende Kapitel: Entpolitisierung der Bildzeitung (als Zielsetzung), Diffamierung von Minderheiten und Kritikern, militanter Antikommunismus und Kalter Krieg.

Mit diesen seinen Aktionen das Berlin-lmage bewußt strapaziert und teilweise zerstört zu haben, wirft eine andere Organisation den Republikanern vor — nämlich der Demokratische Club, in seinem Vorstand: Ein Oberstudiendirektor, ein Rechtsanwalt, ein Oberstudienrat, ein Angestellter, ein Pfarrer, ein Referendar, ein Student, ein Bezirksverordneter und ein Journalist. Am 5. Juli 1967 gegründet hat er
heute etwa 150 Mitglieder, die es sich angelegen sein lassen, a) für den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat einzutreten und b) antidemokratische und totalitäre Bestrebungen aller Art abzuwehren, notfalls, wie Oberstudiendirektor Dr. Wenzel ankündigte, mit Gegendemonstrationen.

Augenblicklich allerdings haben die Demokraten noch etwas Schwierigkeiten, ihre Mannen zu versammeln, denn bisher haben sie noch kein Vereinslokal gefunden. Über die konkreten Ansichten der Rechtsstaatschützer gibt am besten ein Absatz aus einer Schrift Aufschluß, in der die Oberstudiendirektoren der Berliner Gymnasien und die zuständigen Schulaufsichtsbeamten über die dem SDS nahestehende „Unabhängige Schülergemeinschaft" (USG) aufgeklärt werden. Darin heißt es unter anderem: ,,Wir sind weit davon entfernt, zu behaupten, daß in unserem Staat, unserer Gesellschaft und unserer Schule alles zum besten bestellt ist. Allerdings sind wir der Ansicht, daß eine Kritik systemimmanent sein sollte und besonders dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn sie konstruktiv ist. Wer jedoch die beiden kommunistischen Weltmächte zur Unterstützung von kommunistisch geführten Partisanenbewegungen auffordert und gleichzeitig in der Bundesrepublik gegen Notstandsgesetze auftritt und zur Wehrdienstverweigerung aufruft, muß es sich gefallen lassen, daß man seinen Beteuerungen, ihm gehe es um die Demokratisierung von Staat und Gesellschaft, keinen Glauben schenkt. Die vorliegenden Unterlagen lassen den Schluß zu, daß wir es hier nicht mit einer originären Schülerbewegung zu tun haben, sondern daß sich die „außerparlamentarische Opposition" der Schüler als Hilfstrupps bedienen möchte. Eine der Methoden, dabei politisch uninteressierte Schüler anzusprechen, ist die Verbindung von linksradikaler Politik und Sex, mit der auch einige Zeitschriften (z. B ,,konkret") neue Leser zu gewinnen suchen." Auf der einen Seite also die Konstruktiven, auf der anderen reine Destruktion — auf der einen Seite Anstand, Ordnung und Sitte und gegenüber die Unmoral, politische Rücksichtslosigkeit und linker Machiavel-lismus? Der Demokratische Club wird es sich gefallen lassen müssen, daß man ihn des primitiven Antikommunismus zeiht und seine Mitglieder in die Reihe der Kalten Krieger einreiht. Das mag nicht immer ganz zutreffend sein, aber wer sich nicht deutlicher erklärt, wer dermaßen unbekümmert abgegriffene Klischees und Gemeinplätze verwendet, rückt in die gefährliche Nähe einer penetranten moralischen Aufrüstung. Das nun aber kann man dem Republikanischen Club nicht unterstellen.

Jörg Rainer Mettke