Aus: Süddeutsche Zeitung vom 19.12.1966

Berlins Polizei verstand den Spaß nicht

Studenten-Demonstration nach Provo-Vorbild endete mit Krawallen und Festnahmen

Berlin,18. Dezember

Zu neuen Studentenkrawallen ist es in Berlin gekommen. Etwa 200 Jugendliche, die der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) zu einer Demonstration nach dem Vorbild der Amsterdamer Provos aufgerufen hatte, um "mit Spaß zu zeigen, daß die Vor- und Leitbilder unserer Gesellschaft Narren sind", gerieten am Samstag am Kurfürstendamm mit der Polizei zusammen, da SED-Anhãnger und kommunistische FDJ-Mitglieder der Demonstration den Charakter einer Vietnam-Kundgebung zu geben versuchten.

Die Studenten hatten zunächst vor, der Polizei aus dem Wege zu gehen. Sie gaben die Parole aus, immer nur dort zu demonstrieren, wo keine Polizei sei. Das blieb jedoch Theorie. Es kam bald zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf die Polizei 86 Rädelsführer festnahm. Da es im vorweihnachtlichen Betrieb schwer war, Demonstranten von Schaufensterbummlern zu unterscheiden, gerieten auch einige unbeteiligte Passanten in die Schlägereien

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Albertz verurteilte die Krawalle. Er forderte die Studenten auf, endlich zu begreifen, daß die Spielregeln der Demokratie nicht dem internationalen Boxreglement entliehen seien. Ein Sprecher des Senats ergänzte : "Berlin braucht keine Provos. Berlin läßt sich nicht auf der Nase herumtanzen, schon gar nicht von Leuten, die sich Studenten nennen." - Bereits am Samstag davor war es in der Innenstadt zu Krawallen gekommen, als rnehrere studentische Organisationen gegen den Krieg in Vietnam protestierten.