Resolution
des Berliner Landesverbandes zur Suspendierung der „Kommune" aus: neue kritik 41, Ffm 1967, S. 14ff |
Am Nachmittag des 3. 5. 1967 haben der Vorstand der SDS-Gruppe an der Freien Universität Berlin und der Vorstand des Landesverbands Berlin im SDS mit ausdrücklicher Zustimmung des Bundesvorstandes des SDS folgenden Beschluß gefaßt: Der Landesvorstand des SDS suspendiert mit sofortiger Wirkung die ihm bekannten Verfasser der mit „SDS" unterzeichneten Flugblätter (durchnumeriert mit l-5) von ihren aktiven und passiven Mitgliedsrechten. Der Bundesvorstand des SDS schließt sich der Suspendierung an. Zu diesem Beschluß geben der Vorstand der SDS-Gruppe an der FU und der Vorstand des Landesverbands Berlin im SDS und der Bundesvorstand des SDS folgende Erklärung ab: Die Auseinandersetzungen an der FU haben seit dem 19. 4. 1967 eine noch nicht dagewesene Verschärfung erfahren. In dem Maße, wie in den vergangenen zwei Jahren die Studenten den Vertröstungen und Versprechungen der Universitätsbürokratie hinsichtlich der von den Studenten seit nunmehr 22 Jahren geforderten und konkret konzipierten Hochschul- und Studienreform den Glauben versagten und Einlösung der Versprechen anstelle neuer leerer Versprechungen forderten, in dem Maße befleißigte sich die Universitätsbürokratie - offenkundig unfähig, auch nur rational über Reformen mit den Studenten zu diskutieren - einer sich zunehmend verschärfenden Restriktionspolitik gegen die unruhig gewordene Studentenschaft. Dank dieser Politik der Universitätsbürokratie reduzierte sich am 19. 4. 1967 die hochschulpolitische Auseinandersetzung auf ihren abstrakten Kern; auf die Frage nämlich, ob die wissenschaftliche Anstalt Universität nach dem Gesetz der rationalen Auseinandersetzung unter in. dieser Auseinandersetzung Gleichen zu strukturieren ist oder aber nach dem Gesetz, daß im Zweifelsfalle die institutionelle Autorität entscheidet. In der Tat ist der Einsatz der Polizei, sind finanzielle Restriktionen, sind Disziplinarverfahren, sind die bekanntgewordenen Befriedungspläne von akademischer und städtischer Administration, ist der Versuch des Rektors, die Urabstimmung durch Manipulation des Instituts Disziplinargerichtsbarkeit für sich zu entscheiden, der adäquate Ausdruck der hochschulpolitischen Position der Universitätsbürokratie: die Unantastbarkeit der professoralen Autorität, die Jeder ernstzunehmenden Reform zum Opfer fallen müßte. Ein Teil der in dieser Auseinandersetzung von der Universitätsbürokratie angewandten Droh-, Einschüchterungs- und Isolierungstaktik gegenüber der unruhig gewordenen Studentenschaft ist der inzwischen permanent gewordene Versuch, dem SDS an der FU die Förderungswürdigkeit zu entziehen. Daß sich die Berliner Administration an diesen Einschüchterungsmanövern, wie etwa an der Kürzung der AStA-Finanzen, wie an den Disziplinarverfahren, wie an der Kampagne gegen den SDS, aktiv beteiligt, kann nicht verwundern, wo die Bewegung in der Studentenschaft sich in zunehmendem Maße und konsequent auch gegen die politischen Instanzen und Kräfte richtet, die in der autoritativen Universität eine Stütze ihrer eigenen demokratiefeindlichen Politik erblicken. Da der SDS im Unterschied zur akademischen und städtischen Administration weiß, daß für die Unruhen in der Universität keine Rädelsführer verantwortlich sind, sondern der desolate Zustand der Universität, unternimmt der SDS konsequent den Versuch, die unzufriedenen Studenten der Universität über die Ursachen ihrer Unzufriedenheit aufzuklären und mit ihnen gemeinsam herauszufinden, in welcher Weise die Studenten ihre Unzufriedenheit praktisch artikulieren können. Diesen Versuch betrachtet der SDS als die adäquate politische Antwort auf die Versuche der städtischen und universitären Administration, der Auseinandersetzung über die Hochschulreform auszuweichen, indem sie mit exemplarischen Bestrafungen, sei es gegen Individuen, sei es gegen einen politischen Studentenverband, die auf Hochschul- und Studienreform dringenden Studenten einzuschüchtern und ihre Solidarität zu zerstören anstreben. Der SDS weiß, daß er in dieser Auseinandersetzung nur dann eine treibende Kraft sein kann, wenn er in seinem eigenen Verbandsieben die demokratische, rationale Diskussion zum Zentrum macht und die Spontaneität und Selbsttätigkeit seiner Mitglieder unterstützt. Deswegen lehnte und lehnt der SDS es ab, die teilweise mit faschistoiden Kampagnen seitens der Berliner Administration und des überwiegenden Teils der Berliner Presse begleiteten Aufforderungen der Universitätsbürokratie zu befolgen, sich exponierende Mitglieder des SDS auszuschließen, auch wenn der SDS in seiner Gesamtheit die Aktionen dieser Mitglieder nicht billigte. Denn der SDS weiß, daß nur die demokratische Auseinandersetzung gerade auch mit politisch falschen Aktionen ihm im damit verbundenen politischen Lernen weiterhelfen und ihn stärken kann. Allerdings erfordert dies Prinzip der demokratisch argumentierenden Auseinandersetzung im Verband, daß sich alle Gruppierungen im SDS an dieses Prinzip halten. Es stellt keinen Beitrag zu dieser innerverbandlichen Auseinandersetzung dar, wenn eine Gruppierung im Berliner SDS zum wiederholten Male versucht, den Verband mit vollendeten Tatsachen zu konfrontieren. Im Fall der Verfasser der mit „SDS" unterzeichneten durchnumerierten Flugblätter kommt hinzu, daß der Politische Beirat des Berliner SDS am 29. 4. 1967 die Schritte des SDS während der Urabstimmung diskutiert hat und mehrheitlich zu dem Ergebnis gekommen ist, daß Flugblätter dieser Art mit der Politik, die der SDS hinsichtlich der Urabstimmung verfolgt, nicht vereinbar sind. Deswegen hätten die Verfasser der in Frage stehenden Flugblätter keinesfalls die Unterzeichnung „SDS" wählen dürfen. Der Vorstand der SDS-Gruppe an der FU und der Vorstand des Landesverbands Berlin im SDS suspendieren die aktiven und passiven Mitgliedsrechte der Flugblattverfasser, weil sie sowohl im Hinblick auf die Auseinandersetzungen an der FU wie auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Berliner SDS nicht zu dulden bereit sind, daß die demokratische Auseinandersetzung im Verband durch Überrumpelungsmanöver ersetzt wird. Der Vorstand der SDS-Gruppe an der FU und der Vorstand des Landesverbands Berlin im SDS werden auf der Landesvollversammlung, die in Kürze stattfinden wird, den Antrag stellen, die Verfasser der Flugblätter aus dem SDS auszuschließen. |